So sind sie ebén

26. Oktober 2011 Rosemarie Schmitt
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Was Dissonanz bedeutet, können Sie bei Wikipedia nachlesen: lateinisch: dis = "unterschiedlich, auseinander" und sonare = "klingen", ist in der Musik die Bezeichnung für Intervalle und Akkorde, die in der traditionellen Musik als "auflösungsbedürftig" empfunden werden. Wie Dissonanz perfekterweise zu klingen hat, können Sie sich anhören, denn ums Hören geht es doch in der Musik, nicht ums Lesen. Dennoch muß ich es Ihnen schreiben, damit Sie wissen...

Damit Sie wissen, daß das Streichquartett "Quatuor Ebéne" , welches in keinster Weise auflösungsbedürftig ist, eine CD mit mozartschen Streichquartetten einspielte, und dies ist alles andere als eine Fiction (Sie wissen was ich meine?). Auf der bei Emi-Classics (Label: Virgin) erschienenen Aufnahme "Mozart Dissonances" ist selbstredend auch das Dissonanzen-Quartett zu hören. Als Mozart es komponierte, war er etwa im jetzigen Alter der Mitglieder des Quatuor Ebéne, also um die Dreißig. Dieses Ensemble beweist eindrucksvoll: für die damalige Zeit (1785) war auch "das gute Wolferl" hin und wieder ziemlich schräg.

Daß Musik eine überaus persönliche Angelegenheit ist, wiederhole ich stets allzu gerne, und was die Persönlichkeit Mozarts, und speziell dieser Quartette betrifft, bin ich mit dem Quatuor Ebéne absolut einer Meinung. Was diese vier jungen Franzosen sich und aus den Partituren herausnehmen, das ist für mich Mozart! Mit Respekt spielen sie, wie sie es für richtig halten. Wer weiß schon, wie sie es wirklich meinten, die großen Komponisten, denn einzig was blieb, sind die Partituren, sind Noten, die Tonhöhe- und Dauer angeben und Anmerkungen wie diese vorzutragen sind ("sotto voce", "andante", "piano" usw.). Diese Partituren sind wundervoll, keine Frage, doch sind sie lediglich ein Anhalts- und Ausgangspunkt, eine Brücke über die die Musiker gehen, um an ihr Ziel zu gelangen. Und das Ziel von Quatuor Ebéne scheint nicht zu sein, die Kompositionen so originalgetreu wie möglich wiederzugeben - was ohnehin ausschließlich unter der Leitung der Komponisten vorstellbar wäre... Also spielen die vier "ihre" Musik.

Dabei ist Ihnen alles und gleichzeitig nichts heilig. Mozart bleibt Mozart, Haydn bleibt Haydn und Brahms bleibt Brahms, Klassik bleibt Klassik und wenn sie Jazz spielen, wie auf ihrem Album "Fiction" (jetzt wissen Sie, was ich oben meine) dann ebèn Jazz! Daß sie keine Cross-Over-Projekte starten - die ich, am Rande und zum Ende gesagt, ohnehin nicht mag -, interpretiere ich als ein Zeichen des Respektes, den sie den Komponisten entgegenbringen.

Jung und offen, vielseitig, anspruchsvoll, herausragend, klug, intensiv, mutig, dynamisch, erstklassisch – so sind sie ebén, die 4 jungen Franzosen des Quatuor Ebéne! Wenn mindestens zwei dieser Attribute auch auf Sie zutreffen, werden Sie dieses Album "Mozart Dissonances" lieben!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt