So Much I Want to Say

Um das Aufbrechen von Rollenmustern geht es in den Beiträgen von Tracey Moffatt und Rosemarie Trockel. Tracey Moffatt beschäftigt sich mit der reduzierenden Darstellung insbesondere von farbigen Frauen in Filmen. In ihrer gemeinsam mit Gary Hillberg produzierten Videocollage "Lip" (1999) reiht sie Szenen aus Hollywoodproduktionen aneinander. In der Rolle der Bediensteten, hat die Farbige oder Schwarze höchstens die Wahl, entweder aufmerksam und unterwürfig, oder nachlässig und aufsässig zu sein; der Titel des Videos bezieht sich auf den Ausdruck "to give lip" – pampige Antworten geben. Durch die pointierte Montage wird die unangemessen eindimensionale Auffassung der Charaktere bloßgestellt.

Die filmischen Mittel zur Darstellung von Machtverhältnissen führt Moffatt in "Nice Coloured Girls" (1987) vor, indem sie Geschlechterklischees umkehrt. Ihr Video ist ein Gegenentwurf zu einem Paradox, das von der Filmtheorie thematisiert wurde: Während Frauen in Filmen omnipräsent sind, haben sie weit seltener auch eine handlungsbestimmende Rolle. In "Nice Coloured Girls" angeln sich drei australische Aboriginefrauen einen betrunkenen Weißen, ihren "Captain". Sie essen, trinken und amüsieren sich auf seine Kosten, um ihm am Ende das Portemonnaie zu stehlen und in einem Taxi zu verschwinden. Sie sind die Akteurinnen, die den Mann zum Objekt herabwürdigen. Dem Wechsel zwischen Untertiteln und männlicher Stimme aus dem Off entspricht ein Wechsel der Erzählebenen. Der Sprecher repräsentiert die Perspektive der Kolonialherren im 18. Jahrhundert; die Untertitel dagegen erläutern das aktuelle Geschehen aus Sicht der Frauen, die sich mit ihren Tricks über Rollenmuster und Unterwerfung erheben.

Rosemarie Trockels "Fan 1-6" aus dem Jahr 2000 widmet sich dem Verehrungskult um Brigitte Bardot. In einer Abfolge kurzer Szenen, die die Bardot direkt oder indirekt porträtieren, entfaltet Trockel mit subtilem Humor die Widersprüchlichkeit dieser Figur. Während Bardot in dem Lied "Mr. Sun" (1968) ihre Sehnsüchte besingt – "only you understand how lonely I am" – kreist die Kamera um einen altmodischen Heiliger-Herd; verschiedene Frauen schlüpfen in die Rollen der Brigitte Bardot – dramatisch geschminkt, als Kindfrau, als Tierschützerin oder Verführerin. "Sie besitzt die Eigenschaft, als Modell für alles mögliche zu funktionieren", sagt Rosemarie Trockel über Brigitte Bardot und die schier unbegrenzten Vorstellungen, die auf diese Figur projiziert werden, die selbst davon unberührt bleibt.

Mit seiner Handlungsstruktur von Heldin, Abenteuer und Heimkehr gleicht Ulrike Ottingers Film "Johanna d"Arc of Mongolia" (1989) einem Märchen. Vier ganz unterschiedliche Frauen treffen in der Transsibirischen Eisenbahn aufeinander: eine Broadwaysängerin, eine Oberstudienrätin, eine Ethnografin und eine Rucksackreisende. Ihr jeweiliger Charakter wird im Innenraum der Reisewaggons skizziert; nachdem die Frauen von einer mongolischen Prinzessin und ihrem weiblichen Gefolge entführt wurden, verlagert sich das Geschehen in den Außenraum: einer Reise zu Fuß und zu Pferd, gemeinsam mit den Entführerinnen, durch die überwältigenden Landschaften der Inneren Mongolei. Jede der Frauen reagiert unterschiedlich auf das Unbekannte: auf die Jagd zu gehen, in Jurten zu wohnen, Zeugin von Wettkämpfen und Ritualen zu werden. In der Wildheit der Steppe und in der Gemeinschaft der Entführerinnen loten die vier ihr Selbstverständnis neu aus – auch in Hinblick auf ihre Karriere, ihre Sexualität und Spiritualität.

Die Werke von Künstlerinnen machen in der Mediensammlung von Ingvild Goetz fast die Hälfte aus. Bezeichnenderweise war Cheryl Donegans lustvolles Video "Untitled (Head)" ihr erster Ankauf. Ingvild Goetz erwarb die Arbeit 1993, im Jahr ihres Entstehens. Insgesamt lassen sich anhand der Arbeiten in ihrer Mediensammlung die wichtigen Etappen des feministischen Diskurses seit den 70er-Jahren nachvollziehen.

So Much I Want to Say
Von Annemiek bis Mutter Courage
Sammlung Goetz im Haus der Kunst
19. April 2013 bis 12. Januar 2014