Slow Paintings

Was passiert, wenn Maler langsam malen? Kann Zeit zum Werkstoff der Malerei werden? Welche Folgen hat das für den Betrachter? Diesen Fragen geht die Ausstellung "Slow Paintings" nach. Slow Paintings konzentriert sich auf Bilder der letzten fünf Jahrzehnte, die ungeachtet der Entwicklung zum "schnellen Bild" einem komplexen und lang andauernden Entstehungsprozess unterliegen. Ausgehend von einem erweiterten Malerei-Begriff, beleuchtet die Ausstellung 60 Werke von 32 Künstlern auf den Aspekt ihrer Zeitlichkeit hin, auf die für sie benötigte Dauer in Produktion und Rezeption.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Verfertigung von Gemälden ein äußerst aufwendiger Prozess. Die Herstellung der Pigmente, deren Aufbereitung zu Malfarbe, die Vorbereitung der Leinwand erforderten reichlich Vorlauf, der auch die alten Meister in Zeitdruck brachte. So leitete sich der Wert eines Bildes einerseits aus dem kostspieligen und langwierigen Verfahren seiner handwerklichen Herstellung ab. Andererseits wurden Künstler seit jeher für ihre hohe Produktivität gelobt, die nur durch einen straff organisierten und entsprechend schnell arbeitenden Werkstattbetrieb gewährleistet sein konnte.

Mit der Industrialisierung der Malutensilien und der Erfindung neuer Farben im 20. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Beschleunigung des Malvorgangs. Der Fokus verlagert sich nun zunehmend von der Faktur auf die Idee, auf das Konzept des gemalten Bildes. Doch so sehr auch der Drang zur Geschwindigkeit die Moderne prägt, so beschwört dieses janusköpfige Zeitalter zugleich auch das Langsame, Ruhige: Die Suche nach einem Kontrastprogramm zu Tempo und Effizienz führt auf dem Feld der Kunst zu einer Malerei, die in demonstrativer Absetzung von jeglicher Hektik und Beschleunigung den Werkprozess zum komplexen Ritual erklärt, wie dies Ad Reinhardt tut, wenn er bis zu hundert lasierte Farbschichten zu einem Bild addiert – die Ausstellung zeigt ein spektakuläres Werk, das aufgrund seiner Empfindlichkeit seit Jahrzehnten nicht ausgestellt war.

Zeit, Existenz und Kunst werden als Teil eines kontemplativen künstlerischen Vorgehens in den Langzeitprojekten von Roman Opalka oder On Kawara untrennbar miteinander verknüpft: Indem jedes Bild die physische und mentale Substanz der (Lebens)Zeit beansprucht, während der es entsteht, macht es Langsamkeit erfahrbar. Gillian Carnegie reflektiert in ihren Bildern zeitliche Verläufe durch das wiederholte Motiv eines verblühenden Blumenstraußes, während Raúl Cordero über eine Woche hinweg jeden Tag dasselbe Motiv malt. Auf seinen Bildern ist der jeweilige Zeit- und Kalorienverbrauch des Malers notiert – ungewöhnliche Kategorien, mit denen Cordero die Bewertung von Kunst nach ihrem Aufwand ironisch hinterfragt.

Alighiero e Boetti montiert massenmediale Bildfragmente zu komplexen Collagen, dessen kleinteilige und äußerst zeitaufwändige Umsetzung als Stickbilder er aber an Dritte delegiert. Einen gar mehrfachen Prozess von Übersetzungen und Transaktionen setzt der konzeptionell arbeitende Jonathan Monk in Gang: Von einem Bild, das Martin Kippenberger vor der Berliner Mauer zeigt, bestellt er gemalte Kopien bei sieben chinesischen Künstlern – die Autorschaft verliert sich dabei in dem Maß, in dem der Aufwand der Auftragsvergabe und die zeitliche Dauer des Arbeitsprozesses potenziert werden.

Während John Currin bewusst auf die Tradition einer klassischen Tafelmalerei zurück greift, um seinen klischeehaft-manieristischen "fiktiven Porträts" die produktiven Potentiale "schlechter" Bilder freizulegen, übersetzt Corinne Wasmuht nach einem Monate währenden Prozess des Sammelns und Archivierens das digitale Bilderrauschen mit altmeisterlicher Lasurtechnik in dauerhafte, großflächig ausgebreitete Kompositionen. In akribisch ausformuliertem Detailreichtum baut sie Schicht um Schicht ihre Bildwelten von hinten nach vorn auf, um die Farben wie bei Fernsehbildschirmen oder Kirchenfenstern von hinten leuchten zu lassen.

Slow Paintings erfordern nicht nur die Konzentration und Hingabe, die Arbeits- und Lebenszeit des Malers, sie fordern auch den Betrachter – sie überfordern ihn mitunter in einer Intensität, die den schnellen Bilderkonsum unterbindet und hinterfragt. Im besten Fall korrespondiert das ‚langsame Malen‛ mit einer entschleunigten Rezeption, was die Aufmerksamkeit zurück auf zentrale Themen der Malerei lenkt, ohne den konzeptuellen Charakter der Malerei zu vernachlässigen. Der künstlerische Prozess wird in dieser Form der Malerei besonders reflektiert. Die inszenierten Momente der Verzögerung öffnen, metaphorisch gesprochen, einen Spalt, durch den der Betrachter unter die Oberfläche des Bildes, in die Tiefe seiner Entstehung blicken kann.

Die beteiligten Künstler sind: Tomma Abts, Ross Bleckner, Alighiero e Boetti, Michaël Borremans, Gillian Carnegie, Raúl Cordero, John Currin, Alexander Esters, Bernard Frize, Franz Gertsch, Andrew Grassie, On Kawara, Konrad Klapheck, Jochen Kuhn, Sebastian Ludwig, Michel Majerus, Fabian Marcaccio, Rodney McMillian, Jonathan Monk, Reinhard Mucha, Manuel Ocampo, Roman Opalka, Laura Owens, Magnus Plessen, Ad Reinhardt, Bernd Ribbeck, Adrian Schiess, Pablo Siquier, Andreas Slominski, Cheyney Thompson, Corinne Wasmuht, Ekrem Yalcindag

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag für moderne Kunst Nürnberg, hrsg. von Markus Heinzelmann, 160 S., Hardcover, 63 Farbabb., mit Beiträgen von Heinz Knobeloch und Wolfgang Ullrich sowie ausführlichen Künstlertexten, ISBN 978-3-941185-99-9, EUR 25,00 an der Museumskasse, EUR 29,00 im Buchhandel.

Slow Paintings

24. November 2009 bis 7. Februar 2010