14. Februar 2017 - 3:55 / Ausstellung / Grafik 
11. Februar 2017 21. Mai 2017

Er war ein Magier der Formen und Medien und zugleich ein Zyniker im Verhältnis zur Realität: In seinen vielschichtigen Bildern werden malerische Momente und zeichnerische Elemente, Stoffe und Muster, Fotos und Raster geschichtet, collagiert und kontrastiert, während seine Bildwelten zugleich unsere sozialen und politischen Lebenswelten kritisch reflektieren – seine Ironie war bissig und böse. Nicht selten liegt ein feines Lineament über der Bildfläche, das den Dimensionen von Fläche und Raum eine weitere hinzufügt. Die Linie verbindet, versöhnt und überhöht, aber sie streicht auch, tilgt und ändert.

Heute zählt der 2010 verstorbene Sigmar Polke zweifellos zu den größten Bild-Erfindern und bedeutendsten deutschen Künstlern der letzten Dekaden. Unter dem Motto Alchemie und Arabeske fokussiert die Ausstellung im Museum Frieder Burda die "geheimnisvollen Gründe" (für) seine(r) Malerei und die dazu elegant kontrastierenden Liniengebilde. Hochkarätige Leihgaben aus dem Nachlass des Künstlers, internationalen Sammlungen und Museen ergänzen dazu die zahlreichen Exponate aus der Sammlung Frieder Burda, die schon sehr früh das Werk Sigmar Polkes als einer ihrer Schwerpunkte entdeckt hat.

Die Linien in den Bildern Polkes werden auf recht unterschiedliche Art "gewonnen": Durch Klebebänder, durch Bildvorlagen, durch Farbverläufe oder durch Übernahme herrlicher Arabesken Dürers oder Altdorfers. Die belebten Malgründe entstehen durch die Wahl des Materials wie Stoffe, Folien, Raster oder auch durch "zauberhafte" chemische Prozesse der Vermengung unterschiedlicher Chemikalien, Lacke oder auch Pflanzensäften. Gegensätze wie "gewollt" oder eher "zufällig" durchdringen und überlagern sich ständig, wobei nie eindeutig entschieden ist, woher die bestimmende Kraft rührt. So stehen die Stoff- und Lackbilder den linearen Darstellungen – den Handlinien, Schönheitslinien und Schleifenbildern – sich umarmend gegenüber.

Sigmar Polke (* 13. Februar 1941 in Oels, Niederschlesien; † 10. Juni 2010 in Köln) war ein deutscher Maler und Fotograf. In frühen Arbeiten reflektierte der von der amerikanischen Pop Art inspirierte Polke die Konsumkultur der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Mit seinen Raster- und Stoffbildern entwickelte er einen völlig eigenen Bilderkosmos, der sich konsequent stilistischen Kategorisierungen entzieht. Seine Haltung zur Malerei enthält stark ironische Elemente. Polke nahm mehrmals an der documenta teil (1972, 1977 und 1982). 1986 bespielte er den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig.

Der Künstler erhielt zahlreiche international bedeutende Preise, so den Preis für Malerei auf der XIII. Biennale von São Paulo (1975), den Golden Löwen der Biennale Venedig für sein Lebenswerk (1986), den Goslarer Kaiserring (2000), den Praemium Imperiale in Tokio (2002) und den Rubenspreis der Stadt Siegen (2007). 2015 widmete das Museum Ludwig in Köln – zusammen mit dem MoMA in New York und der Tate Gallery in London – Sigmar Polke posthum eine umfassende Retrospektive.


Es erscheint ein Katalog zur Ausstellung: "Sigmar Polke. Alchemie und Arabeske" mit Texten von Helmut Friedel und Barbara Vinken sowie einem Gespräch zwischen Bice Curiger und Sigmar Polke. Der Katalog erscheint im Schirmer/Mosel Verlag.

Sigmar Polke. Alchemie und Arabeske
11. Februar bis 21. Mai 2017

Museum Frieder Burda
Lichtentaler Allee 8b
D - 76530 Baden-Baden

W: http://www.museum-frieder-burda.de/

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