Sie sind so selten, die Typen!

22. August 2012 Rosemarie Schmitt
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Wäre ich eine Komponistin, würde ich Opern statt Kolumnen schreiben, suchte ich nach literarischen Vorlagen, so würde ich gerne "Fahrenheit 451" von Ray Bradbury oder aber ein Werk meines Lieblingsautors Kurt Tucholsky vertonen, vielleicht "Ein älterer, aber leicht besoffener Herr"! Giuseppe Verdi machte dies ebenso.

Nein, sein Lieblingsautor war nicht Tucholsky, da dieser ja erst 1890 geboren wurde, und dann erst einmal ein paar Jahre wachsen, sprechen sowie schreiben lernen mußte, und als er dies beherrschte, war es zu spät, denn Verdi war bereits gestorben. Also muße Verdi sich zu Lebzeiten nach einem anderen Lieblingsautoren umsehen, und er fand William Shakespeare, und zwar am besten! Und er fand in des Engländers Werken sogar einen älteren, leicht besoffenen Herrn namens Falstaff. Und der, so fand Verdi, war bestens geeignet für eine seiner Opern!

"Falstaff" ist die letzte von insgesamt 26 Opern, die Giuseppe Verdi schrieb. Seine erste Oper, die im November 1839 in Mailand zur Aufführung gelang, war "Oberto, Conte di San Bonifacio". Damals war diese Oper ein großer Erfolg, doch im Laufe der Zeit verschwand der Graf von San Bonifacio ganz stickum. Der Zeitgeist trieb sein Unwesen und die Oper von den Bühnen. Zum 50-jährigen Opernjubiläum Verdis, plante sein Librettist Boito die Aufführung von "Oberto, Conte di San Bonifacio", doch Verdi wollte nichts mehr von dieser, seiner ersten Oper sehen und hören.

Er schrieb Boito: "Versuche dir vorzustellen, ob unser Publikum, mit Vorlieben, die so anders sind als vor fünfzig Jahren, die Geduld haben würde, sich die zwei langen Akte von "Oberto" anzuhören. …" Das Publikum würde sich langweilen oder seinen Unmut zum Ausdruck bringen, vermutete Verdi. Eine Reaktion von Opernliebhabern, die bei seinem Falstaff nie und nimmer zu befürchten gewesen ist! Seit der Uraufführung bis heute, trotzte Falstaff den Geistern der Zeit, und wußte stets mit seiner Art das Publikum zu begeistern. Giuseppe Verdi: "Falstaff ist ein Fuchs, der alle Arten von Untaten begeht. (...) Er ist ein Typ! Sie sind so selten, die Typen!"

Ambrogio Maestri, das ist ein Falstaff, der auf der Bühne steht, wie er im Buche steht! Einer jener seltenen Typen, von denen Giuseppe Verdi sprach. Ach, könnte der Maestro den Maestri nur sehen und hören, ihm würde beides vergehen vor Freude! Im Gegensatz zu Maestro Verdi, können Sie jenes Vergnügen in vollen Zügen, oder aber gemütlich und bequem Zuhause, genießen! Allerdings wäre es überaus bedauerlich, verginge Ihnen vor Begeisterung hören und sehen, denn Ambrogio Maestri verkörpert als Sänger und Schauspieler mit jeder Faser die lustigen und traurigen Facetten des Titelhelden Falstaff!

Sehen und hören Sie (auf Blue-ray-disc oder DVD von C Major, Vertrieb Deutschland: Naxos GmbH), die im Juli veröffentlichte Aufnahme der Aufführung vom 1. April 2011 aus dem Opernhaus Zürich. Unter der Leitung von Daniele Gatti, einem der berühmtesten Operndirigenten unserer Tage, ist hier mit u.a. Barbara Frittoli eine hochkarätige Besetzung zu erleben, das Sven-Eric Bechtolfs vorzügliche Regiearbeit an dieser ungestümen Produktion zu einem einzigartigen Vergnügen macht. Giuseppe Verdi, da bin ich sicher, wäre es ein Vergnügen, Ambrogio Maestri als seinen Falstaff, eben als einen jener seltenen Typen, hören und sehen zu können!

Sie möchten tatsächlich in vollen Zügen diese Aufführung genießen? Dann beantworten Sie folgende Frage (an: klassik@habmalnefrage.de), und wir oder Sie werden sehen! Wie war der Vorname von Verdis Librettist Boito?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt