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Am 3. November war der 50. Todestag Wilhelm Reichs, der am 24. März 1897 in Galizien geboren wurde. Er war Arzt, Psychoanalytiker, Sexualforscher, Therapeut, Biologe, Biophysiker und Orgonomist. Reich wurde 1897 als erster Sohn eines Gutsbesitzers geboren, der Geburtsort Dobzau, auch Dobrzanica, liegt im damals österreichischen Teil Galiziens, der Ort Jurinetz, wo Reich den Großteil seiner Kindheit verbrachte, in der Bukowina, dem damals östlichsten Teil des k.u.k. Österreich-Ungarn.

Reichs Eltern waren zwar jüdischer Herkunft, hatten sich aber vom jüdischen Glauben gelöst, weshalb Reich keine religiöse Erziehung erhielt. Er wurde zuhause von Privatlehrern unterrichtet, bis er auf das Gymnasium von Czernowitz ging. Mit einem dieser Privatlehrer unterhielt Reichs Mutter zeitweilig eine intime Beziehung, die der ca. 11-jährige unabsichtlich aufdeckte. Seine Mutter beging Suizid. Der so traumatisierte Wilhelm musste nun die Leitung des Gutsbetriebs übernehmen, wurde aber 1915 durch einrückende russische Truppen zur Flucht gezwungen. Er trat der k.u.k. Armee bei und blieb bis zum Kriegsende 1918 im Militärdienst. Wilhelm Reich ging anschließend nach Wien und studierte, nach einem Semester Jura, Medizin. Er wurde durch ein Seminar zur Sexualität, das sein Kommilitone Otto Fenichel außeruniversitär organisiert hatte, auf Sigmund Freud und die Psychoanalyse aufmerksam.

1921, noch als Student, wurde er - eine große Ausnahme - in die Wiener Psychoanalytische Gesellschaft aufgenommen. Ohne jemals eine Lehranalyse abgeschlossen zu haben, praktizierte er mit kaum 23 Jahren als Psychoanalytiker. Von 1924 bis 1930 war er Leiter des Seminars für Psychoanalytische Therapie, wo man praktische Probleme der Behandlung systematisch erforschte. Aus den Diskussionen in diesem Seminar und aus einer konsequenten Weiterentwicklung der Freudschen Libidotheorie zur Orgasmustheorie (1927) gingen seine therapietechnischen Innovationen hervor: von der Widerstandsanalyse zur Charakteranalyse (1933), danach zur körperorientierten Vegetotherapie und schließlich zur Orgontherapie.

Durch die Formulierung der Orgasmustheorie (orgastische Potenz als Kriterium für psychische Gesundheit und also Therapieziel) und der Ablehnung der Todestriebstheorie geriet Reich in einen schwelenden Konflikt mit Freud. 1934 beim Kongress in Luzern wurde Reich aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen, die Motive für diesen Ausschluss sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Seit Mitte 1927 hatte Reich außerdem eine Synthese von Marxismus und Psychoanalyse auf theoretischer wie praktischer Ebene versucht. Er war 1930 von Wien nach Berlin gegangen, wo er der KPD beitrat und sexualpolitisch tätig blieb (Sexpol). Auch diese Arbeit war so konfliktträchtig, dass er 1933, im selben Jahr, als auch sein Buch "Die Massenpsychologie des Faschismus" erschien, aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (30. Januar 1933) flüchtete Reich zunächst nach Wien, dann nach Dänemark, emigrierte später nach Norwegen und bei Kriegsausbruch in die USA. Dort bildete er Ärzte zu Orgontherapeuten aus und übte großen Einfluss auf Schüler wie Alexander Lowen und Fritz Perls und Psychotherapeuten wie Ronald D. Laing aus. Beachtung fand Reich vor allem mit seiner Beschreibung psychischer Blockaden, die er als "Charakterpanzer" bezeichnete, und die sich in der Verspannung bestimmter für die praktische Arbeit abgrenzbarer Muskelgruppen ("Muskelpanzer") äußern würden. Reich übernahm von dem damals zu den führenden Physiologen zählenden Friedrich Kraus das Konzept der "vegetativen Strömung" und entwickelte so seine Charakteranalyse weiter zur Vegetotherapie.

Eigene mikrobiologische Forschungen führten Reich zur Entdeckung der Bione (1938), Bläschen, die Übergangsstadien zwischen Anorganischem und Organischem darstellen, und schließlich zum Postulat einer spezifischen Energieart, die er Orgon nannte. Eine Klage auf eine Verfügung gegen den zwischenstaatlichen Handel von Orgon-Akkumulatoren wurde von Reich nicht akzeptiert, da es sich um eine wissenschaftliche Frage handle. Reich erschien nicht vor Gericht, es kam zur endgültigen Verfügung über das Verbot der Verwendung seiner Orgon-Akkumulatoren sowie die Verfügung, diese Geräte selbst sowie seine Schriften zu vernichten. 1956 wurde Reich zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen Missachtung des Gerichts verurteilt. Während der Haft starb Reich an plötzlichem Herztod. Ein Jahr nach dem Freud-Jubiläum setzt sich die Ausstellung mit dem sehr heterogenen Werk Reichs vor dem Hintergrund seiner Biografie auseinander.


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16. November 07 bis 2. März 08