Sentimental Journey

Vom 10. Juli bis 28. August 2007 zeigt die Kunsthalle Wien im Project Space am Karlsplatz Fotoarbeiten von Paul Albert Leitner, der ein Reisetagebuch im fotografischen Medium schreibt. Der Künstler registriert damit die Verwandlungen, die er im Laufe seiner Lebensfahrten erfährt.

Ganz in der Tradition der empfindsamen Reise eines Lawrence Sterne und seiner "Sentimental Journey through France and Italy" (1768) und der zahlreichen nachfolgenden Entwicklungsromane durch Reisen begibt sich der Künstler (als junger Mann) auf die Reise in sein Ich. Seine Wahrnehmung verläuft über die autobiografische Form seiner äußeren, physischen Existenz, der die Natur im Diptychon als Spiegel der Seele gegenüber tritt.

Reisen dieser Art gibt es seit dem Beginn ethnographischer Forschung nicht mehr. So räsoniert Claude Levi-Strauss in "Traurige Tropen" (1955): "Nie wieder werden uns die Reisen, Zaubertruhen voll traumhafter Versprechen, ihre Schätze unberührt enthüllen. Eine wuchernde, überreizte Zivilisation stört für immer die Stille der Meere. Eine Gärung von zweifelhaftem Geruch verdirbt die Düfte der Tropen und die Frische der Lebewesen, tötet unsere Wünsche und verurteilt uns dazu, halb verfaulte Erinnerungen zu sammeln."

Diesem Wissen um die Unmöglichkeit der Unschuld und des Nostalgischen steht die poetisch-dokumentarische Inszenierung der Realität und die Konstruktion von Kunstfiguren, sei es die der eigenen Person oder die von anderen, gegenüber. Es gibt keinen Platz für Empfindsamkeit: Die Logik des Globalen steht dem brüchigen Selbst schroff gegenüber, als wäre Letzteres ein Relikt aus vergangenen Zeiten – ob es sich aufgeräumt, stramm im Anzug gibt oder weich und verletzlich aufgelöst im halbnackten Zustand: so präsentieren sich nämlich die Personae des Künstlers in seinen Selbstporträts.

Die Pedanterie in der Auswahl der Farben, des Sujets, des Ausschnitts, der formalen und kompositorischen Beschaffenheit stellen sich vor jede emotionale Beteiligung. Diese ist, wenn vorhanden, ins Komische verzerrt, mit der ironischen Distanz des Zitierenden, ob es nun Davids Tod des Marat (1793), Tischbeins Goethe in der römischen Campagna (1787), Mantegnas perspektivisch verkürzter Toter Christus (1480) oder ein Dante mit Lorbeerkranz und elegisch angeschnittenem Profil ist.

Paul Albert Leitner, 1957 in Jenbach in Tirol geboren, arbeitet seit nahezu 30 Jahren an einem fotografischen Œuvre, das Stillleben, Landschaft, Porträts sowie Dia-Ton-Collagen beinhaltet. Er zeigt im Project Space in der Kunsthalle Wien eine Reihe von 240 Dias, die in drei Räumen projiziert werden: Porträts von Künstlern, anderen Personen sowie Selbstporträts und Natur. Dazu werden Fotografien aus seiner Serie Selbstporträts und Natur zu sehen sein.


Katalog: Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog, deutsch/englisch, mit Interviews geführt von Gerald Matt mit Paul Albert Leitner sowie einem Essay von Sabine Folie.

Paul Albert Leitner
Porträts von Künstlern und anderen
Personen, Selbstporträts und Natur
10. Juli bis 28. August 2007
Täglich 16 – 24 Uhr, So/Mo 13 – 19 Uhr