Sensationen aus dem Alten Wien

Das Wien Museum Karlsplatz, der erste und lange Zeit einzige Museumsneubau der Zweiten Republik (Architekt: Oswald Haerdtl), wurde im April 1959 – vor genau 50 Jahren – mit der Ausstellung "Hieronymus Löschenkohl" eröffnet. Zum Jubiläum steht Löschenkohl neuerlich im Mittelpunkt einer Schau. Als umtriebiger Bilderproduzent brachte er die "News" seiner Zeit unters Volk, er hatte beste Kontakte zum Kaiserhaus und einen untrüglichen Geschäftssinn.

Hieronymus Löschenkohl (1753 - 1807) begann 1780 als Graveur in Wien und nützte die Gunst der Stunde, als Joseph II. die Zensur abschaffte und damit erstmals so etwas wie "Pressefreiheit" ermöglichte. Zunächst verkaufte er Silhouetten von berühmten Zeitgenossen, etwa von Komponisten wie Mozart oder Haydn: In ihrer Prägnanz sind diese Schattenrisse mit heutigen Logos vergleichbar. Außerdem reüssierte Löschenkohl mit bunt kolorierten Stichen, die von Revolutionen und Kriegen, von adeligen Festen und sonstigem Spektakel "berichteten". Bei Bedarf versah er sie mit einem kurzen Text, nicht selten ironisch und gewürzt mit einer Portion Patriotismus, vor allem, wenn es um die Gegner Österreichs ging.

Hieronymus Löschenkohl tauchte "überall" – selbst bei Hof! – auf und hielt Ereignisse aus nächster Nähe fest: anschaulich bis drastisch, ganz in der Art eines frühen Bildreporters. Aktualität ging vor Qualität, weshalb seine Bilder von manchen Zeitgenossen als minderwertig kritisiert wurden. Bis heute prägen sie jedoch unser Bild des 18. Jahrhunderts und werden häufig in Büchern über diese Zeit verwendet.

In atemberaubender Geschwindigkeit erschloss Löschenkohl immer neue Geschäftsfelder und überrollte damit seine Konkurrenz: Er produzierte Kalender und führte die Glückwunschkarte in Wien ein, verkaufte bedruckte Tapeten, Knöpfe und Fächer, verlegte Gesellschaftsspiele und sorgte dafür, dass seine "Erfindungen" – in vielen Fällen kopierte er einfach die Ideen anderer – zum Stadtgespräch wurden. Vor seinem Verkaufsgewölbe am Kohlmarkt, einem europaweit bekannten Umschlagplatz für Kupferstiche und Musikalien, bildeten sich regelmäßig Menschentrauben, um die neusten Bilder zu bestaunen.

Die Ausstellung rekonstruiert in markanten Teilen die erste Sonderausstellung aus dem Jahr 1959, im Vordergrund steht diesmal jedoch weniger der "Künstler" Löschenkohl, sondern seine Bedeutung als Unternehmer in der Branche der Kupferstecher. Im Fokus stehen außerdem die Sammlerpersönlichkeiten Max von Portheim und August Heymann, ohne die der einzigartige Löschenkohl-Bestand des Wien Museums nicht denkbar wäre. Deren opulente Sammlungen wurden 1937 von der Stadt angekauft. Am 23. April 1959 eröffnete das Historische Museum der Stadt Wien als erster (und lange Zeit einziger) Museumsbau der Zweiten Republik, die Städtischen Sammlungen übersiedelten vom Rathaus auf den Karlsplatz. Die Schau über Hieronymus Löschenkohl war die erste Sonderausstellung, ein gerade in Konjunktur kommendes neues Museumsformat. Die Entscheidung für ein Thema aus der Spätaufklärung stand für den emphatischen Willen zu Aufbruch und Neubeginn.

Das neue Gebäude, entworfen von Oswald Haerdtl, signalisierte Transparenz und Zugänglichkeit, der damalige Museumsdirektor Franz Glück verstand das Museum als Volksbildungsstätte und vertraute auf die sinnliche Kraft der Objekte. Ästhetische Qualität war daher Leitmotiv der Auswahl an gezeigten Werken. Das große Verdienst der Ausstellung von 1959 war die erste umfassende Präsentation von Löschenkohls Oeuvre. Dass nun 50 Jahre danach markante Teile der Schau des Jahres 1959 rekonstruiert wurden, ist nicht nur eine Hommage an "damals", sondern thematisiert auch generell die tiefgreifende Veränderung musealer Präsentationen.


Hieronymus Löschenkohl -
Sensationen aus dem Alten Wien

24. April bis 16. August 2009