Schweiz ohne Schweiz

Seit langem wird die Schweiz mit den Alpen gleichgesetzt. Das idealisierende Etikett der Alpenrepublik ist jedoch nicht nur in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht Folklore – auch die Topografie des Landes setzt sich aus vielerlei unterschiedlichen Landstrichen zusammen. Trotzdem wurden in Kunstausstellungen fast immer die Alpen fokussiert, was das bestehende Klischee weiter festigte. Die Ausstellung "Schweiz ohne Schweiz" thematisiert erstmals die künstlerische Darstellung alpenloser Schweizer Landschaften und vermittelt ein neues, ungewohntes Bild des Landes.

Jenseits des alpinen Raumes zeigt sich ein stattliches Landschaftsband, das vom Bodensee über den Rheinfall, das ausgedehnte Mittelland, den Jura, das See- und Waadtland bis hinab zum Genfersee reicht. Diese "unbekannten" Landschaften sind deshalb so verlockend, weil sie – gemessen an den Alpen – über Generationen hinweg gewissermassen im Off des kulturellen Bewusstseins blieben. Ausstellung und Publikation wollen nicht an der Schönheit der Alpen rütteln, aber das geläufige Klischee hinterfragen und den Charme anderer Landschaften ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Eine Hommage an die Vielfalt alpenloser Landschaften in der Schweiz und an die konzentrierte Hinwendung der Kunstschaffenden zu diesen Orten, um sowohl die leisen als auch die dramatischen Tonlagen aus dem grossen landschaftlichen Kontinuum herauszufiltern und visuell umzusetzen.

Die Ausstellung umfasst rund 100 Gemälde und Fotografien aus Schweizer Kunstmuseen, Privatbesitz, Künstlerateliers und der Sammlung des Museums zu Allerheiligen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Angesichts der unüberschaubaren Vielzahl an Werken und Positionen zum Thema konzentriert sich die Ausstellung auf eine exemplarische Auswahl aussagekräftiger Arbeiten, die über die verschiedenen Epochen und stilistischen Differenzen hinweg in überraschende Dialoge treten. Daher folgt die Ausstellung nicht einer chronologischen oder geografischen Hängung, sondern einer thematischen, die es durch den unmittelbaren Vergleich erlaubt, gewisse Parallelen der Landschaftsauffassung und somit auch der Haltung des Menschen zur Natur aufzuzeigen.

Schönheit, Magie oder Transzendenz sind beispielsweise als grosse thematische Leitlinien durch die Jahrhunderte hindurch virulent und beschäftigen vielfach gebrochen insbesondere auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. In der Wahrnehmung der Kunstschaffenden haben die Landschaften ausserhalb des Alpenraumes bis heute nichts von ihrer Faszination verloren, im Gegenteil, die Sondierung sowohl romantischer als auch urbaner Facetten des Landschaftlichen sind seit einigen Jahren von erstaunlicher Aktualität und Relevanz. Heute bildet oftmals das scheinbar Beiläufige und Belanglose bestimmter landschaftlicher Merkmale einen vielversprechenden Ausgangspunkt, um über die alte Gattung der Landschaft erneut nachzudenken und zu überraschenden künstlerischen Umsetzungen zu finden.

Die Ausstellung zeigt Arbeiten von einigen der bedeutendsten Schweizer Kunstschaffenden ihrer Zeit, darunter: Felix Meyer, Leonhard Trippel, Johann Jakob Schalch, Robert Zünd, Adolf Stäbli, Rudolf Koller, Ferdinand Hodler, Cuno Amiet, Adolf Dietrich, Max Gubler und Otto Dix, der nahe der Schweizer Grenze lebte. Die Gegenwartskunst ist beispielsweise vertreten mit Werken von: Simone Kappeler, Peter Fischli/David Weiss, Cécile Wick, Valentin Hauri, Albrecht Schnider, Monica Studer/Christoph van den Berg, Markus Gadient, Pascal Danz, Esther van der Bie, Daniela Keiser, Klodin Erb, Christian Schwager, Christoph Schreiber, Collectif Fact, Damien Comment oder Annaïk Lou Pitteloud.
Markus Stegmann

Eine umfangreiche Begleitpublikation dokumentiert die Werke der Ausstellung und gibt vertieften Einblick in die Thematik. Texte von Markus Stegmann und Manuela Reißmann, 160 Seiten, 72 Farbabbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag, Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich, CHF 48.- in der Ausstellung.

Schweiz ohne Schweiz
Alpenlose Landschaften
4. Juli bis 26. September 2010