Schokogenuss und schrille Visionen

Im Rahmen des Projektes der kulturellen Auslandsaktivitäten des Landes Vorarlberg – initiiert gemeinsam mit der Fundación Bilbaoarte, Spanien, leben und arbeiten seit 2006 jedes Jahr zwei spanische Künstler für zwei Monate in Bregenz. Am Ende ihres Aufenthalts werden die Arbeitsergebnisse in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses Jahr sind es die beiden jungen Künstler Amaia Vicente und Ektor Rodríguez.

Konstanten der Kunstwelt sind das Lustprinzip, das Haben-Wollen und der Genussfaktor. So wie das System Kunst ihre Kinder frisst, so verschlingen Käufer und Rezipienten hungrig nach Mehrwert ihre sinn-, reiz-, und spekulationsträchtigen Angebote. Die spanische Künstlerin Amaia Vicente reflektiert in ihrer aktuellen Arbeit mit vergänglichem Material diesen Kreislauf der Begierde und ihre unabschüttdelbare Abhängigkeit vom Augenblick des Wahrnehmungsereignisses. Der Preis des Genusses von Schokolade ist das Verschwinden des Objekts. Indem Vicente für ihre Ausstellung in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle Ohren, Zähne und andere Körperfragmente abformt, schafft sie ein doppelt körperbezogenes Angebot. Diese Kunst mit Ablaufdatum zwingt den Betrachter auf eine Reflexionsschleife. Wir verzehren uns nach Schokolade, wollen sie und verschlingen sie mit Lust. Wir konsumieren das süße, schon farblich Vergänglichkeit anzeigende Material und in Wirklichkeit essen wir uns selbst. Auf raffinierte Art und Weise zeigt Amaia Vicente die Endlichkeit des Materials, der Kunst und damit des Lebens. Der Betrachter wird zum bewussten Genießer, er erfährt sich und im Idealfall als Einheit von Körper und Verstand. Die Arbeiten von Ektor Rodríguez sind giftig und verführerisch zugleich. Sie sind zu verstehen als Statement eines Künstlers, den aktuelle Zustände unserer Umwelt beschäftigen und der sich dem Schuldgefühl, Teil einer kapitalistisch entwickelten Konsummaschinerie zu sein, nicht nur stellt, sondern ein Gegenbild entwirft. Das Menschliche scheint als Antwort auf die massive biologische Dekonstruktion in seinen Druckwerken konfrontiert mit übernatürlichen Phänomenen. Die Bilder zeichnen die schrille Vision einer apokalyptischen Zukunft. Technisch handelt es sich um digitale Drucke, die jedoch durch die vielschichtige Aufbereitung (etwa: digital print on heavy duty treated paper, acrylic paint, ruber tensors, glass suckers) und räumliche Hängung sich auf halben Weg zwischen Bild, Skulptur und Installation zeigen. Aus der Sicht von Ektor Rodriguez findet sich die perfekte Form in der Sphäre der Natur: Augen, Atome, Planeten. Die Natur repräsentiert das göttliche Prinzip, das jedoch konkurrenziert wird von einer dreidimensional, kubisch ausgeformten, menschlichen Umwelt. Diese ist bildhaft wiedergegeben durch Gefängnisse, Supermärkte und Galerien. Indem der Künstler eine brutale Vision der Natur liefert, die weit entfernt ist vom Naturverständnis heute, stellt Rodríguez die Sicherheit unserer gebauten Wirklichkeit in Frage. Das gesamte Projekt dreht sich um die Suche der biologischen Form nach Gleichgewicht und die daraus resultierende Attacke auf die menschlich-artifizielle Umwelt. Winfried Nussbaummüller
Amaia Vicente & Ektor Rodríguez 29. November bis 5. Dezember 07 Öffnungszeiten: täglich 10 - 12 und 15 - 19 Uhr