Schnittstellen zwischen Film und Malerei

Monika Schwitte arbeitet an der Schnittstelle zwischen Film und Malerei. Sie verwischt und überschreitet die Grenzen des filmischen Mediums, indem sie gefundenes Filmmaterial unterschiedlichster Herkunft verwendet, in das sie von Hand eingreift. In zeitaufwändigen Verfahrensschritten arbeitet sie mit malerischen Elementen, Flecken, Strichen, um bestimmte Farbwerte am einzelnen Kader zu verdecken oder hervorzuheben und die Bildelemente zu verdichten. Zusätzlich setzt sie direkt am Material Zelluloid an, indem sie es mit Löchern oder Einschnitten versieht; beide Methoden dienen ihrem Ziel, das Licht des Projektors auf ihre Weise auf die Leinwand zu lenken. Ein weiteres Verfahren liegt dann in ihrer Schnitttechnik, mittels derer Schwitte ihren Kurzfilmen komplexe, rhythmische Strukturen und Bildabfolgen verleiht.

"Den Zuschauern meiner Filme", sagt Monika Schwitte, "empfehle ich einfach nur hinzusehen, nichts verstehen zu wollen und mit den stummen, oft sehr schnellen Bildern auf einen Augen­Trip zu gehen. Farben, Menschen, Tiere, Pflanzen und Flüsse, sogar Perforationslöcher und viele unsichtbare schöne Bilder spielen eine Rolle in meinen Filmen, die narrativ wie abstrakt wirken, ohne eine Geschichte zu erzählen. Die Idee, das Licht auf seinem Weg zur Leinwand zu lenken, dass ich es bin, die bestimmt, an welcher Stelle und wie das Projektionslicht durch das Bild schießt, hat mich letztendlich dazu geführt, mein Material zu bemalen. Außerdem stellte sich die Malerei mit Pinsel und schwarzer Tusche als ideale Methode zur Tilgung von unerwünschten Bildinhalten heraus."

Monika Schwitte zeigt in ihrer Ausstellung in der Galerie im Taxispalais eine Auswahl ihrer durchgängig stummen, mit einer Ausnahme auf 16mm gedrehten Filme, darunter "O.T." (1989), der erste Film, dessen Material sie durchgehend Kader für Kader bemalte. Weiters zu sehen sind "Self-fulfilling Prophecy" (1994) und "O.T." (1999), für den sie Filmstreifen von Fernsehserien verwendete. "Einerseits dürftiges Material, andererseits hatte ich wieder alles was ich brauchte, Farben, Bewegung, Zeit."

Ihr neuester Film "Anagramm" (2006) wird hier zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. An diesem 35mm-Film, der mit 26 Minuten Dauer ihr längster ist, hat Schwitte drei Jahre gemalt und zwei Jahre an der Montage gearbeitet. In seinem für den Katalog zur Ausstellung verfassten Text schreibt Klaus Theweleit: "Was sehen wir also im Durchlauf von Anagramm? Im Durchlauf durch den Projektor sehen wir vor allem den Sprung zwischen den Bildern. Die Spur verändert sich von Kader zu Kader; wir sehen ihren ständigen Wechsel und nur in Rudimenten das Bild selbst. Vierundzwanzig Bilder in der Sekunde kann kein Auge sehen. Darauf basiert unsere Wahrnehmung ganzer Bilder und Personen im Kino.

Vom Kino sind wir gewohnt, dass "ein einziges Bild" mehrere Sekunden dauert und sich so zu einer Ganzheit fügt. Im älteren Kino waren das im Schnitt sieben bis acht Sekunden pro Einstellung; heute ist die durchschnittliche Dauer einer Spielfilmeinstellung auf knapp zwei Sekunden geschrumpft. Unser Wahrnehmungs- und Verarbeitungsvermögen ist vierfach schneller geworden, aber 24 verschiedene Bilder pro Sekunde kann immer noch kein Mensch sehen – daher das Flimmern: der Sprung von Bild zu Bild. Durch Monika Schwittes Eingriffe sichtbar gemacht für unsere Augen, läuft, rast auf uns zu, durch uns hindurch – es flackert, flimmert, flirrt in Sprüngen – oder an uns vorbei, wenn wir die überforderten Augen schließen und/oder über die Bilder hinwegsehen."

Einen weiteren Raum wird Monika Schwitte gemeinsam mit Ernst Caramelle gestalten, der in einer parallelen Ausstellung einige Räume der Galerie malerisch transformiert. Hier zeigt sie Skizzen, Zeichnungen und Filmstills auf Plexiglas.

Monika Schwitte ist 1956 geboren. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Klaus Theweleit und Monika Schwitte im Verlag Stroemfeld / Roter Stern.

Monika Schwitte

17. Februar bis 30. März 2008