Rudolf Wacker - Magie und Abgründe der Realität

Noch bis 16. Februar zeigt das Leopold Museum in Wien eine Sonderausstellung zum Werk von Rudolf Wacker (1893-1939), neben Franz Sedlacek der bedeutendste Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Österreich.

1958, also vor rund 50 Jahren, fand die erste und bislang letzte Ausstellung in der Österreichischen Galerie im Belvedere statt, 2024 holt das Leopold Museum diesen Maler von internationalem Rang wieder in die Bundeshauptstadt zurück.

Rudolf Wackers Werk ist vor allem in Bregenz entstanden. In zahlreichen Ausstellungen hat Vorarlberg in den letzten Jahrzehnten seinen berühmtesten Künstler der Moderne zu würdigen verstanden, das Werkverzeichnis von Max Haller sowie die wissenschaftlich profunden Publikationen vor allem von Rudolf Sagmeister bilden bis heute eine wegweisende Grundlage. Rudolf Wacker aber ist zweifellos ein Maler von europäischem Format, den nur die Zeitumstände - sein malerisches Werk entstand zwischen den beiden Weltkriegen von 1921 bis zu seinem frühen Tod 1938 - zum Rückzug in die heimatliche Provinz am Bodensee zwangen. Zunächst wuchs er als Sohn eines Tiroler Baumeisters in behüteten bürgerlichen Verhältnissen auf, nahm Kunstunterricht in Wien, begann sein Studium in Weimar u.a. bei Albin Egger-Lienz, bis die Einberufung zum Wehrdienst seine weitere Laufbahn unterbrach. Nach fünfjähriger Kriegsgefangenschaft in Sibirien versuchte er ab 1920 zunächst in Berlin, dann in Wien vergeblich Fuß zu fassen. 1924 kehrte er mit seiner Frau und seinem wichtigsten Modell Ilse Moebius in die väterliche Villa zurück. Mit einer regen Ausstellungstätigkeit in Vorarlberg, Tirol und mehreren deutschen Städten sowie zahlreichen intensiven Reisen innerhalb Deutschlands, aber auch in die Schweiz, versuchte er der provinziellen Enge zu entfliehen und neue Anregungen zu finden. Er wurde Mitglied der 1925 gegründeten länderübergreifenden Künstlervereinigung am Bodensee "Der Kreis", wo er mit Künstlern wie Hans Purrmann, Conrad Felixmüller oder Adolf Dietrich in Kontakt kam.

Sein Werk selbst konzentriert sich auf die Wirklichkeit bzw. die Präsenz der Dinge in seiner nächsten Umgebung, auf Landschaften und Hinterhöfe, auf den weiblichen Akt, auf sein eigenes Porträt in unnachgiebiger Wiederholung und auf verschiedene Fundstücke, die er aus seiner eigenen Sammlung immer wieder neu komponiert. In den 1920er Jahren dominiert ein expressiver, farbintensiver Malgestus, der nach 1928 einer eigenwilligen, zeichnerisch dominierten Versachlichung der Wirklichkeit weicht. Mit ungemein präziser Strichführung erfasst und isoliert Wacker die Dinge des Alltags und verleiht ihnen so einen eigenen Zauber des Geheimnisvollen. Seine Bilder können auch als verschlüsselte Botschaften vor dem Hintergrund einer politisch immer gefährlicher werdenden Situation und virulenter gesellschaftlicher Tabubrüche gelesen werden. Mit den verwelkenden Pflanzen und Kakteen oder der Puppe und dem Kasperl greift Wacker zudem eine für die 1920er Jahre vor allem in Deutschland typische Bildsprache auf, die er neu zu interpretieren versteht.

Mit zahlreichen Leihgaben aus privaten und institutionellen Sammlungen vermittelt die Ausstellung ein umfassendes Bild dieses ebenso vielschichtigen wie komplexen Œuvres, ergänzt durch eine Auswahl aus seinem reichen zeichnerischen Werk sowie durch ausgewählte Referenzarbeiten u.a. von Otto Dix, Franz Lenk oder Anton Räderscheidt.

Zur Ausstellung ist ein ausführlicher Katalog erschienen, siehe Buchbesprechung auf kultur online.

Rudolf Wacker
Zauber und Abgründe der Wirklichkeit
bis 16. Februar 2025