Roman Signer - Strassenbilder und Super-8-Filme

Das Aargauer Kunsthaus startet das neue Jahr mit einer umfangreichen Einzelausstellung des international renommierten Schweizer Künstlers Roman Signer. Anlass zur Konzeption der monografischen Ausstellung im Aargauer Kunsthaus gab das Anliegen, die 2011 angekaufte Fotoserie "Strassenbilder" einer breiten Öffentlichkeit präsentieren zu können. Den Fotografien werden 36 Projektionen von Roman Signers Super-8-Filmen gegenübergestellt, welche meist spektakuläre Aktionen zwischen 1975 und 1989 dokumentieren.

Herausragend in der Ausstellung ist die besondere Inszenierung der 36 Super-8-Filme: In Anlehnung an die traditionelle museale Bildhängung werden die projizierten Filme nebeneinander gezeigt. Um diese raumgreifende Präsentationsform zu ermöglichen, wurden fast alle flexiblen Ausstellungswände im Erdgeschoss des Erweiterungsbaus entfernt. Die parallele Anordnung der Projektionen in einem grossflächigen Ausstellungssaal von über 600 m2 bietet den Besucher/innen die Gelegenheit, die Super-8-Filme von Signer umfassend und vergleichend wahrzunehmen.

Roman Signers Aktionen - er selbst bezeichnet diese als "Ereignisse" - sind von ephemerem Charakter und verlangen geradezu nach einer filmischen Dokumentation. Er verwendete dafür schon früh – vor der Video- und Digitalkamera – die Technik der Super-8-Filme. Die Super-8-Filme gehören zu den wichtigsten Dokumenten, die Signers performatives Werk zugänglich machen und einen Überblick über sein frühes Schaffen erlauben. Die Filme sind kurz und konzentrieren sich auf die zentralen Vorgänge. Die Kameraeinstellungen und subtilen Inszenierungen bedienen nicht einfach die mediale Schaulust der Betrachter/innen auf den Moment des Knalls respektive eines unerwarteten Geschehens, sondern betonen die situative Beschaffenheit des performativen Akts.

Nicht selten taucht der Künstler selber im Film auf, jedoch nicht als inszenierter Täter, sondern als Geburtshelfer eines konzipierten Ereignisses. Ohne Ton aufgenommen, vermitteln die Filme lediglich den visuellen Teil der Ereignisse und verweisen dadurch auf deren Potential als vergängliche Skulpturen. Bereits seit den 1970er-Jahren ist Signers künstlerisches Schaffen von einem prozesshaften und entmaterialisierten Verständnis der Skulptur geprägt. In enger Zusammenarbeit mit Roman Signer entstand im Aargauer Kunsthaus eine eindrückliche Gruppierung von Projektionen, wobei die Super-8-Filme über ihren dokumentarischen Charakter hinaus zu eigenständigen Werken werden.

Einen Kontrapunkt zu den filmischen Arbeiten setzt die 47-teilige Fotoserie "Strassenbilder", welche ebenfalls im Erdgeschoss gezeigt wird. Diese Ausstellungsräume sind in sich geschlossener und vermögen den Eindruck der kompakten Präsentation der Super-8-Filme zu verdichten. Die zahlreichen Fotografien nehmen den szenografischen Ansatz der Projektionen auf, verweisen jedoch gleichzeitig auf einen weiteren Aspekt in Signers Werk: Die analytische Beobachtung und deren schlüssige Aneinanderreihung. Die Arbeit "Strassenbilder" besteht aus zwei Serien à 23 beziehungsweise 24 Fotografien, die beide vertraute Phänomene einer Autofahrt durch ländliche Regionen im Osten Europas zeigen: Improvisierte Verkaufsstände für Obst und Gemüse sowie Gedenkstätten zur Erinnerung an Verkehrsopfer.

Diese seriellen Bilder gleicher Motive machte Signer während einer Reise durch die Karpaten, die Ukraine und Rumänien. Ob es sich um das Anpreisen der Erträge aus dem eigenen Garten handelt, oder um das Bedürfnis, dem durch den Verlust eines geliebten Menschen entstandenen Schmerz Ausdruck zu verleihen, in beiden Fällen nehmen persönliche Notwendigkeiten physische Gestalt an. Trotz der unspektakulären Beiläufigkeit der alltäglichen Arrangements gelingt es Signer, diese in seinen Fotografien - insbesondere in Serie - als künstlerische Installationen mit hoher ästhetischer Qualität darzustellen.

Mit Roman Signer wird einem renommierten Schweizer Künstler eine Ausstellung gewidmet und somit dessen Schaffen auf nationaler Ebene gewürdigt. Die unerwartete Präsentation der Super-8-Filme erlaubt einen konzentrierten Blick auf seine performativen Arbeiten. Die Kombination der Super-8-Filme mit der Fotoserie "Strassenbilder" lässt die Filme zudem in einem erweiterten Rahmen von Roman Signers künstlerischem Schaffen erscheinen. Neue Bedeutungsebenen können erschlossen werden und dem Publikum wird die Stellung der Filme als eigenständige Werke - und nicht ausschliesslich als Dokumente der Aktionen - vor Augen geführt.

Katalog: Im Rahmen der Ausstellung erscheint zur Fotoserie Strassenbilder der Katalog "Karpaten Ukraine Rumänien". Alle 49 Fotografien sind im Katalog abgebildet, mit dem Anliegen, den seriellen Charakter der Bilder hervorzuheben und gleichzeitig das Spiel mit der Vermischung der beiden Motivgruppen Kreuze und Gemüse zu provozieren. Im Zentrum steht - wie auch bei den Originalen - die Frage nach dem Zweck und der Deutung des Gesehenen und die Verwechslung der Bedeutungsebenen infolge der ästhetischen Nähe zwischen den Präsentationen der Gemüseverkäufe und den am Strassenrand aufgestellten Gedenkstätten für Verkehrsopfer. Die Texte von Paula van den Bosch, Kuratorin zeitgenössische Kunst Bonnefantenmuseum Maastricht, und Madeleine Schuppli, Direktorin Aargauer Kunsthaus, setzen den diskursiven Rahmen. Steidl Verlag, Göttingen, 2011.

Roman Signer - Strassenbilder und Super-8-Filme
28. Januar bis 22. April 2012