Roman Signer zählt zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Das Kunsthaus Zürich zeigt Werke aus verschiedenen Schaffensperioden, die der Künstler zu einer überraschenden Gesamtinstallation zusammenfügt.
Wenn Roman Signer (*1938) von der Ausstellung im Kunsthaus Zürich spricht, spricht er von einer Landschaft. Von Anfang an hat er sich die grosse Ausstellungshalle offen vorgestellt, ohne Wände, die den Raum unterteilen. So arbeitet er meistens. "Ich verteile die Werke im Raum und das Publikum kann die Arbeiten wie auf einem Spaziergang erkunden", sagt der Künstler. Das entspricht auch der Art und Weise, wie Roman Signer selbst die Welt entdeckt und Inspiration für seine Arbeit findet - ein Atelierkünstler war er nie. Als Signer 1972 im Rahmen eines Austauschprogramms für ein Jahr nach Warschau ging, um bei Oskar Hansen zu studieren, war seine "Akademie die Straße". Tagelang lief er durch die Stadt und saugte die Wirklichkeit in sich auf. "Ich bin so vielen spannenden Situationen begegnet, die mich geprägt haben." Damals entdeckte er das Potenzial, mit den Elementen und einfachen Gegenständen wie Flaschen, Eimern oder Stiefeln Kunst zu machen. Das ist bis heute so geblieben. Auch mit 86 Jahren tüftelt Roman Signer täglich an neuen Ideen. Auch für die Ausstellung im Kunsthaus Zürich hat er verschiedene neue Werke geschaffen.
Die Natur und die Elemente spielen in Signers Werk eine zentrale Rolle. Vor allem das Wasser ist ein wiederkehrendes Sujet in seinen Werken. Schon als Kind verbrachte der Künstler die meiste Zeit in und an der Sitter im Kanton Appenzell. Damals beobachtete er, wie sich Eisschollen an Brückenpfeilern zu vergänglichen Skulpturen zusammenschoben, oder er warf eine Flaschenpost ins Wasser und stellte sich vor, wie sie ihre Reise in die Welt antrat. Ähnliche Ideen treiben Roman Signer bis heute um. Seine Kunstereignisse sind eine faszinierende Mischung aus Prozess, Spiel, Experiment und Staunen. Mit kindlicher Neugier fordert er die Gesetze der Natur heraus und schafft Anordnungen, die uns immer wieder überraschen. Der Zufall, das Eindämmen und Freisetzen von Energie spielen dabei eine zentrale Rolle. Es sind die nur bedingt kontrollierbaren Kräfte, wie die von Explosionen oder der Schwerkraft, die Signer faszinieren und die er sich bei der Herstellung seiner Skulpturen zunutze macht. "Ich arrangiere nur. Die Kraft macht meine Skulptur bzw. manifestiert sich in meiner Skulptur", beschreibt der Künstler seine Vorgehensweise. So entstehen unerwartete Situationen, die einen neuen Blick auf die Welt eröffnen und auch die Rolle des Künstlers in ein anderes Licht rücken.
Humor gehört zu Signers Werken, ist aber nicht das Ziel seiner Arbeit. "Lachen ist erlaubt, muss aber nicht sein", sagt der Künstler. Das für ihn charakteristische Augenzwinkern verleiht seinen Arbeiten eine gewisse Leichtigkeit, die sich auch auf materieller Ebene zeigt. Viele von Signers Arbeiten sind temporäre Phänomene, er liebt Objekte, die wieder abgebaut werden können oder verschwinden. Das Element der Zeit spielt in seinem Schaffen eine zentrale Rolle, und seine Arbeiten werden immer wieder mit dem Etikett «Zeitskulptur» versehen. Viele von Signers Arbeiten haben auch etwas Performatives oder verändern sich im Laufe der Zeit. Im Mittelpunkt stehen das Erleben des Geschehens, die dadurch hervorgerufenen Veränderungen und die daran beteiligten Kräfte. Um diesen Prozess festzuhalten, verwendet Signer Film und Fotografie. Diese beiden Medien spielen in seiner künstlerischen Praxis eine wichtige Rolle und sind auch in der Ausstellung im Kunsthaus zu sehen.
Im Zentrum der Schau stehen jedoch die Skulpturen. Diese entstehen bei Roman Signer aus Alltagsgegenständen wie einem Tisch, einem Bett oder einem Stuhl. Indem er sie durch die Luft fliegen oder als improvisierte Boote durch die isländische Landschaft fahren lässt, transformiert er sie und macht sie zu unterschiedlichen Charakteren. Allen gemeinsam ist, dass man ihnen unweigerlich Sympathie entgegenbringen muss. Ein weiteres immer wiederkehrendes Objekt in Roman Signers über 50-jährigem künstlerischen Schaffen ist das Kajak. Mal zerlegt er es in seine Einzelteile und macht daraus eine Art Minimalskulptur, mal hängt er es von der Decke oder wagt - von einem Auto gezogen - einen holprigen Ritt durch die Landschaft.
Roman Signer: Über 50 Jahre Kreativität und Staunen
4. April bis 17. August 2025