Rollenspiel und Bildgesang

Seit mehr als zweitausend Jahren ist in Indien das Erzählen und Besingen von Geschichten anhand von Bildrollen belegt. Buddhistische Mönche verbreiteten auf diese Weise ihre Lehre, und fahrende Künstler brachten so die Erzählungen der grossen indischen Epen und eine Fülle lokaler Götter‐ und Heldengeschichten unter die meist nicht schriftkundige Landbevölkerung. Diese "Bildersänger" waren die Schöpfer und Träger einer Kunstform, die sich bis weit über Indien hinaus verbreitete.

Bildrollenvorführungen sind heute in Asien fast überall verschwunden. Im bengalisch geprägten Osten Indiens allerdings halten sich – in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander – gleich zwei solcher Traditionen: die der patua und die der jadopatia. Beide Gruppen sind aufgrund politischer Veränderungen, moderner Medien und sozialer Umwälzungen gezwungen, neue Überlebensstrategien zu entwickeln. Während die patua diese Herausforderung meisterten und heute dank kreativer Strategien zu wirtschaftlichem Wohlstand gelangen, scheiterten die jadopatia – ihre Tradition steht vor dem Aus.

Eine einzigartige Sammlung indischer Volkskunst, von zwei Zürchern über lange Jahre akribisch, engagiert und mit künstlerischem Blick in Bengalen zusammengetragen, wird im Völkerkundemuseum der Universität Zürich im Kontext des Schicksals der von dieser Kunst lebenden Menschen vorgestellt. Die Ausstellung und die sie begleitende Buchpublikation untersuchen die althergebrachten und die zeitgenössischen Arbeits- und Überlebensstrategien beider Gruppen und deren Auswirkungen auf die Gegenwart und Zukunft ihrer Kunst, und sie erzählen anhand von Bildrollen, Legenden, Rezitationstexten und Fotos die Geschichte der indischen Bildrollenkunst und die in den Rollen dargestellten Geschichten.

Zur Eröffnung erscheint der Band "Bildrollen: Dauer und Wandel einer indischen Volkskunst." Arnoldsche Art Publishers, 192 Seiten, ca. 200 Abbildungen in Farbe und Schwarzweiss, Hardcover, ca. Fr. 48.–

Rollenspiel und Bildgesang
Geschichte und Geschichten bengalischer Bildrollen
1. September 2012 bis 3. März 2013