Das Museum Tinguely in Basel zeigt mit "Roger Ballen. Call of the Void" eine Ausstellung, die als achte Folge der Serie 'Danse macabre' auf Jean Tinguelys Spätwerk "Mengele Totentanz" (1986) Bezug nimmt.
Dabei ist der Ansatzpunkt für die Gegenüberstellung erneut ein anderer: Während es bei "Anouk Kruithof. Universal Tongue" (2022) der Tanz oder bei "Bruce Conner. Light out of Darkness" (2021) die Apokalypse war, ist es im Falle Roger Ballens die verstörende, irritierende Stimmung seiner Fotografien und Installationen. Er hinterfragt in seinem Werk die menschliche Psyche und stellt sich selbst wie auch den Betrachtenden Fragen nach dem Sein und dem Werden.
Roger Ballen, geboren 1950 in New York City, lebt und arbeitet in Johannesburg, Südafrika. Er ist einer der profiliertesten und eigenständigsten Fotografen unserer Zeit. Seine Arbeit, die mit Porträts sudafrikanischer Dörfer und Menschen begann - direkt, frontal, ungeschminkt - setzt sich seit 20 Jahren in Bildern fort, die immer häufiger im Studio entstehen, dadurch aber nichts von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüsst haben.
Er setzt seine Objekte, die Gegenstände, die Möbel, die Wände mit Zeichnungen, die Drähte, die Masken, die ausgestopften Tiere und Tierteile, die lebendigen Ratten, Vögel, Schlangen, Hunde, Katzen, die Schaufensterpuppen und, nur noch selten, die Menschen, in seinen quadratischen Schwarz-Weiss Fotografien so ein, dass sie einer Komposition eingeschrieben sind und gleichzeitig autonom ganz für sich selbst stehen. Es entstehen Bilder, die wie Spaziergänge ins Unterbewusste anmuten, dunkel, geheimnisvoll, durchaus auch beängstigend oder beunruhigend. Schon bei den Porträts, die in den 1990er Jahren entstanden, war es nicht das Schöne, Ausgeglichene, das ihn interessierte, sondern das Verstörende, das Nonkonforme, das diesen Menschen aus dem weissen Prekariat' des südafrikanischen Hinterlandes eigen war. Waren es damals die Lebensgeschichten, die in den Gesichtern und Körpern eingeschrieben sind, so werden es bei den späteren Bildern die Beziehungen zwischen den Objekten, die eine sehr eigene Stimmung schaffen.
Roger Ballen hat in den letzten Jahren mit dem, was er 'Ballenesque' nennt, einen eigenen Stil kreiert, oder vielmehr eine Stimmung, die seinen Werken zugrunde liegt. Damit benennt er dieses Ungemütliche, Seltsame und Beunruhigende, das er zunehmend auch in Installationen einbringt. Für seine Fotografien baut er im Atelier Szenerien auf, die er heute auch in Ausstellungen zeigt. Damit macht er einen bemerkenswerten Schritt aus der zweidimensionalen Fotografie in den dreidimensionalen Raum, der im Museum Tinguely in einer Hütte mündet, die eigens für die Ausstellung erbaut wurde. Die sehr einfache Behausung dient in Basel als Hintergrund, vor dem Ballen mehrere seiner Szenerien aufbaut. Die Hütte kann betreten werden, in ihr wird das 'Ballenesque’ für das Publikum unmittelbar erlebbar, sichtbar, riechbar.
Roger Ballen. Call of the Void
(Danse macabre No. VIII)
19. April bis 29. Oktober 2023