Robert Hammerstiel. Winterreise

Nach einer Gemäldeausstellung ("Bilder eines Zeitzeugen") im Leopold Museum im Jahr 2006 steht nun das grafische Werk Robert Hammerstiels im Blickpunkt. Rund 50 druckgrafische Arbeiten (Holzschnitte und Stahlmonotypien) und 25 Zeichnungen geben bis zum 27. April 2009 Einblick in das vielschichtige grafische OEuvre Robert Hammerstiels. Der Ausstellungstitel zeugt von der "Seelenverwandtschaft" des Künstlers Hammerstiel mit dem Komponisten Franz Schubert (1797-1828). Ähnlich wie Schuberts Wanderer eine Reise unternimmt, ohne Ziel und Hoffnung, hinaus in die Kälte der Winternacht, fühlt sich auch Hammerstiel wie ein Wanderer, ein Getriebener, ein Ruheloser.

Geprägt von den Erlebnissen seiner Kindheit zwischen Vertreibung und Internierung – während der Flucht aus dem Lager hört er eines Nachts seine tote Großmutter Schuberts "Winterreise" singen – erarbeitet Robert Hammerstiel Schuberts Liederzyklus nach den Gedichten von Wilhelm Müller (1794-1827). Die "Winterreise" Hammerstiels entsteht in Zeichnung und Holzschnitt. Der Künstler empfindet tiefe Verehrung für Schubert und bezeichnet ihn als bedeutendsten Musiker neben Johann Sebastian Bach. Schubert ist für ihn "das größte Genie in der ganzen Musik" und "eine ungeheure Größe, weil er das slawische Moll in seine Musik gebracht hat." Schubert vertonte die Gedichte im Todesjahr Wilhelm Müllers. Die beiden waren einander nie begegnet. Bereits ein Jahr später, 1828, stirbt Schubert im Alter von nur 31 Jahren. Äußerer Anlass der Entstehung von Hammerstiels Winterreise-Zyklus war der 200. Geburtstag des Komponisten im Jahr 1997 sowie der 50. Jahrestag seiner persönlichen "Winterreise", der Flucht aus dem Internierungslager Gakova im Jahr 1947.

Hammerstiel beschränkt sich nicht nur auf seine Interpretation der Schubert’schen Winterreise. Er publiziert ebenso einen Grafik-Zyklus zu seiner eigenen "Winterreise". Es ist eine Geschichte von Krieg, Vertreibung, Inhaftierung und Flucht. Gegen Ende des 2. Weltkriegs marschierten im Jahr 1944 sowjetische Truppen und die jugoslawische Befreiungsarmee in Werschitz ein. Robert Hammerstiel erlebt als Elfjähriger die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung. Er wird in ein Lager deportiert, seine Mutter verschleppt. Mehrmals wird er in andere Lager verlegt. Die Inhaftierung ist von Kälte, Hunger, Krankheit, Terror und Tod gekennzeichnet. 1947 gelingt die Flucht aus dem Lager Gakova nach Ungarn, in der Folge nach Niederösterreich.

Im niederösterreichischen Ternitz findet Robert Hammerstiel eine neue Heimat. Die schlimmen, traumatischen Erfahrungen der Gefangenschaft lassen Hammerstiel zeit seines Lebens nicht mehr los, sie sind mahnender Bestandteil seines Schaffens. Trotz aller negativer Erfahrungen seiner Jugend fühlt sich Robert Hammerstiel auch heute noch seiner alten Heimat verbunden. Sein Denken und Schaffen ist dem Frieden verpflichtet, dem Zuschütten von Gräben und der Ablehnung von Ideologien.

Neben den Arbeiten zum Thema Winterreise zeigt die Ausstellung Zeichnungen und Holzschnitte sowie farbintensive Stahlmonotypien des Künstlers aus den 1960er Jahren bis 2008, darunter zwei beeindruckende großformatige beinahe sieben Meter lange Werke, der "Totentanz" und "Kindertotenlieder".


Katalog zur Ausstellung: Leopold Museum-Privatstiftung (Hg.): "Robert Hammerstiel. Winterreise", Zeichnungen & Druckgrafik. 92 Seiten, 81 Abbildungen, EUR 19,90.

Robert Hammerstiel. Winterreise
Zeichnungen und Druckgrafik
6. Februar bis 3. Mai 2009