Retrospektive - Martin Noël

Die Albertina zeigt in einer umfangreichen Schau Werke von Martin Noël, die einen Überblick über seine wichtigsten Schaffensphasen gibt. Das Œuvre des 1956 in Berlin geborenen Künstlers hat die Entwicklung der zeitgenössischen Druckgrafik in Deutschland entscheidend mitgeprägt. Noël befand sich Zeit seines Lebens auf der Suche nach übersehenen Details. In nahezu all seinen Arbeiten steht das Verhältnis von Linie und Fläche im Mittelpunkt.

Martin Noël wird zeitlebens durch die verschiedensten Strömungen der Kunstgeschichte zu seinen Werken inspiriert. Im Zuge seiner unermüdlichen Suche nach dem Unentdeckten stößt er in den Arbeiten verschiedenster Künstler auf Details, die ihn interessieren und deren Linien er stetig studiert. Aus diesen Linien entwickeln sich schlussendlich die Motive seiner Holzschnitte, Grafiken, Objekte und Gemälde. Chronologisch durchforstet er die einzelnen Epochen und deren Hauptwerke und erhält dadurch wichtige Impulse, die ihm dabei helfen, seinen eigenen, unvergleichbaren künstlerischen Standpunkt zu entwickeln. Noël ist diese Entwicklung durch die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte sowie Werken seiner Zeitgenossen wichtiger als die Frage, was der Kunstmarkt gerade verlangt, um erfolgreich zu sein.

Als er 2010, im Alter von nur 54 Jahren an den Folgen eines Hirntumors stirbt, umfasst seine Bibliothek über 4000 Kunstbücher. Die unzähligen Post its, mit denen er die für ihn wichtigen Seiten und Abbildungen markiert, zeugen davon, dass er all die Publikationen nach unentdeckten, bildwürdigen Motiven, Linien und Flächen durchsucht und sich auf diese Weise ein unerschöpfliches Reservoir an Material schafft, auf das er jederzeit zurückgreifen kann.

Neben seiner aktiven Suche nach unentdeckten Details verstand es Martin Noël jedoch auch im Alltäglichen besondere Details und Bildausschnitte wahrzunehmen. Er verfügt über einen feinen Spürsinn, der ihn bedeutungslos erscheinende Details wahrnehmen lässt, ohne, dass er aktiv nach ihnen sucht. So entdeckt er auf Spaziergängen Risse im Asphalt, über den er sich bewegt, oder erkennt in verzweigten Ästen von Bäumen Strukturen, die ihn zu seinen Arbeiten inspirieren.

Martin Noël
12. Dezember 2021 bis 20. Februar 2022