Der Würdigungspreis des Landes Niederösterreich in der Sparte Bildende Kunst geht an den Maler und Bildhauer Josef Kern. In seinem Gesamtwerk spiegeln sich wesentliche Traditionen wie Expressionismus, Realismus und Surrealismus wider. Die Ausstellung in der Landesgalerie Niederösterreich zeigt Kerns malerische und plastische Arbeiten aus vier Jahrzehnten. Zentral wird die Entwicklung seines Schaffens anhand seiner Selbstporträts sichtbar.
Josef Kerns Malerei umfasst Porträts und Stillleben sowie die Kombination beider Genres. Auffallend ist die erotische Komponente in seinem Werk. Als figurativer Maler zählt er zu den Vertreter:innen der Neuen Malerei in Österreich. Thema seiner Werke ist der Mensch in all seinen Facetten. Kern ist ein Meister des Inkarnats und setzt auch Blumen und Pflanzen wie Menschenbildnisse in Szene. Seine Werke sind geprägt von Sinnlichkeit und Vitalität, Nacktheit und Erotik, Schönheit und Schrecken. Besonders auffällig in Kerns Werk ist die Werkgruppe der Selbstporträts. Oft zeigt sich der Künstler nackt in seinem Atelier, ergänzt durch symbolische Attribute wie Farbpalette, Pinsel oder Mönchskutte. Typisch für seine Selbstbildnisse ist der Blick des Dargestellten aus dem Bild heraus. Dadurch schafft er Nähe und Intimität zwischen dem Dargestellten und dem Betrachter:in.
Vertrautheit und der direkte Blick sind auch kennzeichnend für zahlreiche Porträts, die Kern von Freund:innen und Kolleg:innen auf zumeist kleinen Leinwandquadraten festhielt. Er malt ausschließlich vor dem lebenden Modell, was mitunter Stunden dauern kann. Die intensive und offene Auseinandersetzung mit seinen Modellen ist in den Werken stets spürbar. Eine eigene Gruppe in seinem Werk bilden die Frauenakte. Auch sie sind durch Inszenierung und Ausschnitt unverwechselbar.
Kerns tiefe Auseinandersetzung mit Leben und Tod kommt vor allem in seinen Stillleben und Naturbildern zum Ausdruck. Die Pracht der Blumen mit ihren intensiven Farben und der Stofflichkeit der Blütenblätter gibt Kern authentisch wieder. Seine Pflanzenporträts nehmen durch die perspektivische Vergrößerung und den gewählten Bildausschnitt die sinnliche Note seiner Menschendarstellungen auf.
In Kerns bildhauerischem Werk nimmt das geschnitzte Relief einen wichtigen Platz ein. Ausgangspunkt ist stets die Zeichnung, in der der Künstler Beobachtungen festhält und seinen Gedanken freien Lauf lässt. Mensch, Natur und Ornament fließen organisch ineinander. Inspiration findet Kern auch im eigenen Gemüsegarten rund um das von ihm restaurierte Bauernhaus im nördlichen Weinviertel, in dem er lebt und arbeitet. Pflanzen wachsen anstelle von Körperteilen, als würden Organe in floraler Form entstehen. Technisch anmutende Objekte verengen oder erweitern den Kopf, als wären Kopfbedeckungen oder Maschinenteile mit der Haut verwachsen. Die surrealen Reliefs erinnern an die grotesken Bildwelten des mittelalterlichen Malers Hieronymus Bosch. In den Zeichnungen breiten sich die Szenen über den Bildträger auf die vergoldeten Reliefs der Bilderrahmen aus. Während die Zeichnungen farbig ausgeführt sind, bleiben die Reliefs stets weiß.
Josef Kern (* 1953) studierte von 1972 bis 1979 an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Klasse von Wolfgang Hollegha. In den 1980er Jahren wurde Kern zur Künstlergruppe der „Neuen Wilden“ gezählt. Er lebt und arbeitet in Ottenthal im Weinviertel.
Josef Kern
NÖ Würdigungspreisträger 2024
bis 21. April 2025