Rem Koolhaas – versteckt in Zell am See

Unbedingt musste ich das Haus in Zell am See finden. Rem Koolhaas wollte damit inkognito bleiben. Doch bei so einem Kleinod kann das nicht gelingen, also publiziert er es gleich selbst auf seiner Website, mit aufschlussreichen Fotos und Einblicken, welche den Passantinnen verschlossen bleiben. Diese waren nicht nur faszinierend, sondern auch die Grundlage meiner Recherche (siehe OMA Office).

Privathäuser interessieren den Weltarchitekten wohl nur am Rande und wenn sie ein anspruchsvolles Experiment erlauben, das Haus für einen Unternehmer ist sein fünftes. Ein extrem schmales und steiles Grundstück gegenüber dem der Schwester des Bauherrn in Zell am See, dessen Heimatort, galt als nicht bebaubar. Oberirdisch durfte der Baukörper laut Bauordnung maximal vier Meter breit sein, unterirdisch gab es Handlungsspielraum. Entstanden ist eine lange schmale Skulptur mit gezacktem Rückgrat, die den Hang hinaufkriecht – eine Demonstration zeitgemäßen Umgangs mit der Landschaft, ohne auf fulminante Gesten zu verzichten.

Um die Abstandsflächen einzuhalten, bleibt mit dem schlanken, weißen Betonriegel nur ein Drittel der Wohnfläche (insgesamt 200 m2) sichtbar, doch wie gelingt es in den Räumlichkeiten unter dem Rasen die an diesem Standort so attraktiven Tageslicht- und Aussichtsbedingungen zu schaffen? Damit erklärt sich die expressive Form: Über die formatfüllenden Glasflächen des Sheddachs fließen Licht und Himmel ins Innere, zur traumhaften Aussicht auf den See wird vollflächig und sehr gekonnt aufgemacht. Das Haus entwickelt sich auf vier Etagen den Hang hinab, verbunden über eine durchgehende, ewig lange, unterirdisch verlaufende Treppe. 

Die verspiegelte Zacke bei der obersten Ebene markiert den Eingang und ist zu einem Teil Stahl-Haustüre, zum anderen ausschwenkbare Hauswand, die einen privaten Außenbereich entstehen lässt. Ein offener Raum, lichtdurchflutet von beiden Seiten, das große Auslagenfenster am Ende wird wie ein Garagentor nach oben gezogen. Bündig mit dem Boden kann so der Blick auf den Zeller See über die Brüstung der vier Meter langen freitragenden Terrasse hinweg fließen. Spezielles Feature: in den Boden ist ein ausfahrbarer Tisch eingelassen und draußen steigt man ein paar Stufen hinab zum Sitzplatz. Gefinkelt auch die freie Aussicht im hinteren Teil des Schlafbereichs, dort versinkt die transluzente Badewanne im Boden und belichtet dazu noch das Treppenhaus. Genauso im gemütlichen Wohn- und Esszimmer (mit anschließender Sauna), wo über transparente Kunstharzfliesen Tageslicht von oben kommt. Weiter unten befindet sich eine Gästemaisonette mit zwei Einheiten, dieser vorgelagert, ein doppelstöckiges Wohnzimmer mit raumhoher Verglasung, die den von Nachbarn uneinsichtigen Garten förmlich ins Innere zieht. Die unterste Ebene organisiert die Verbindung von der Straße ins Treppenhaus, dort gibt es noch einen Abstellraum für die Skiausrüstung.

Um die Komplexität der Raumabfolgen zu durchschauen, brauchte ich Tage, doch diese Nachforschung inspiriert. Wie faszinierend gedacht und von Menschenhand gemacht!