Reality Check

"Reality Check" bezeichnet den Moment der Ernüchterung, wenn sprichwörtlich der Traum platzt, sich die Vorstellung an den Realitäten bricht. Der Reality Check im Kunst Museum Winterthur wendet sich der materiellen Wirklichkeit der Dinge zu: Von Jean Tinguely über John Chamberlain und Eva Hesse bis zu zeitgenössischen Positionen ist eine spannende Tour d’horizon zum Umgang der Kunst mit alltäglicher Dinglichkeit zu erleben.

Als Marcel Duchamp 1917 ein handelsübliches Urinal dem New Yorker Publikum als Kunst vorstellte, stand die Kunstwelt Kopf. Die alltägliche Realität brach unvermittelt in die Hochkultur ein – mit weitreichenden Folgen für die Moderne. Den Nachwirkungen dieser epochalen Geste geht die Ausstellung "Reality Check" anhand ausgewählter Werke von den 1950er Jahren bis heute nach. Im Zentrum der Ausstellung steht der Umgang mit alltäglichem, teils vorgefundenem Material, das auf unterschiedlichste Art und Weise in Kunst übersetzt wird. Neben Werken von Marcel Duchamp (1887 – 1968) und den spielerisch-ironischen Adaptionen durch Richard Hamilton (1922 – 2011) bietet die Präsentation in fünf Räumen einen abwechslungsreichen Rundgang durch die Kunst von der Nachkriegszeit bis heute.

Auftakt bildet Jean Tinguely (1925 – 1991) mit seiner kauzigen Maschinen-Skulptur, die Metallschrott zu einer seiner typischen kinetischen Plastiken vereint: das "Totem No 2" oder "Dr wild Ma". Sie entstand 1960, dem Jahr des Manifests der "Nouveaux Réalistes". Der Bewegung, die als Reaktion auf die als selbstbezogen empfundene Malerei des Informel entstand, schlossen sich die Affichisten Raymond Hains (1926 – 2005), Jacques Villeglé (*1926) und Mimmo Rotella (1918 – 2006) ebenso an wie Daniel Spoerri (*1930). Sie gehörten zu den Wegbereitern einer Kunst, die sich direkt mit alltäglichen Gegenständen auseinandersetzt. In der 1950er Jahren begannen die Affichisten, Plakate stückweise abzureissen und diese mitsamt der Wand als Kunstwerk zu deklarieren. Damit prägten sie ein völlig neues Verständnis dessen, was "Realität" und "Realismus" in der Kunst bedeuten.

Auch der amerikanische Künstler John Chamberlain (1927 – 2011) bearbeitete ab Ende der 1950er Jahre die Dingwelt in direkter Weise, indem er Autoschrotteile zu Metallskulpturen zusammenschweisste. Dem geradezu expressiven Gestus und dem unmittelbaren Umgang mit den Dingen antworteten Imi Knoebel (*1940) und Luciano Fabro (*1936) mit einer dezidiert europäischen Haltung, die Alltagsgegenstände in beziehungsreichen Konstellationen verband. Eine Vermittlerposition zwischen den Kontinenten nahm dabei das Werk von Eva Hesse (1936 – 1970) ein, die in Deutschlandgeboren wurde und später in Amerika einen bedeutenden Beitrag bei der Erforschung bislang unerprobter Werkstoffe und künstlerischer Prozesse leistete.

Die Gegenwartskunst greift die von der Nachkriegsmoderne erforschten Werkstoffe und -prozesse auf, um sie in immer neuen Kombinationen weiterzuentwickeln, so beispielsweise Pedro Cabrita Reis (1956), Manfred Pernice (*1963) oder Reto Boller (*1966). Sie alle sind mit eindrücklichen Einzelwerken bzw. konzisen Werkgruppen in Reality Check zu sehen.


Reality Check
Materialwelten in der Kunst von Jean Tinguely bis Dieter Roth
26. Januar bis 22. April 2019
Vernissage: Fr 25. Januar 19, 18.30 Uhr