Punctum. Bemerkungen zur Photographie

"Punctum" ist eine Ausstellung, die das Wesen der Fotografie heute untersucht. Bestehend aus fünfzig Fotografien, die von KünstlerInnen, KuratorInnen und SchriftstellerInnen ausgewählt wurden, und begleitet von einer Vortragsreihe sowie einer Publikation, nimmt die Ausstellung ihren Ausgangspunkt beim Begriff des "punctum", wie ihn Roland Barthes in seinem Buch "Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie" einführte.

Barthes benutzt den Begriff "punctum" als sprachliches Mittel, um die Bedeutung von Fotografie zu untersuchen. Der Begriff bezieht sich auf ein besonderes Detail einer Fotografie, das den Betrachter fesselt oder "verwundet" und es zu einem Objekt der Reflexion vervollständigt. Barthes geht jedoch noch darüber hinaus und schreibt eine Reihe weiterer phänomenologischer Betrachtungen dieser Sphäre des "punctum" zu.

Für die Ausstellung wurden die TeilnehmerInnen eingeladen, Fotografien auszuwählen, die für sie das Konzept des "punctum" emblematisch verkörpern, speziell im Kontext der heutigen Fotografie und unserem konstanten Ringen um Ästhetik. Jede ausgewählte Fotografie wird von einem kurzen, beschreibenden Text begleitet, der die Gründe der Entscheidung erhellen soll. Den Hintergrund des Projekts bilden die fortwährenden, ontologischen Überlegungen zur Fotografie, besonders heute, lange nach ihrer Digitalisierung und weiteren Universalisierung.

Fotografie ist immer problematisch gewesen, als eine sogenannte indexikale Form, als Ersatz für Erinnerung, als manipuliertes Mittel, als Instrument der Beobachtung, Kontrolle und des Militarismus, und auch als vielumstrittene Kunstform. Mit der Evolution der Fotografie in das digitale Zeitalter hinein haben sich diese Problemfelder wohl vervielfacht. Der Schriftsteller Geoff Dyer zum Beispiel argumentiert, dass digitale Fotografie "frei von jeglichen Qualitäten vergangener Zeit zu sein scheint," dass sie keine der Eigenschaften mehr besitze, die Barthes ihr zugeschrieben habe.

Barthes zufolge ist die Fotografie "das lebendige Bild von etwas Totem" und daher wohnt ihr etwas einer "Auferstehung" inne. Würde diese Meinung heute standhalten, in einer Zeit, in der die Fotografie von einem konstanten, sich immerzu verändernden und unaufhaltsamen Fluss der Bilder mitgerissen wird? Würden wir heutzutage noch den Begriffen Barthes wie "profunde Verrücktheit", "geteilte Halluzination" oder "das Irreversible" als elementare Definitionen der Fotografie zustimmen? Oder müssen wir uns nicht erneut fragen: Was ist der ontologische Status der Fotografie?


Punctum. Bemerkungen zur Photographie
26. Juli bis 21. September 2014