Pufferblitz oder Pufferpuff?

Das Museum Tinguely zeigt bis zum 14. September 2008 Arbeiten von Pavel Schmidt. Erstmals sind die Skulpturen des Künstlers in einer Übersichtsausstellung in dieser Breite zu sehen. Von der ersten plastischen Arbeit "Malmittel I" von 1978 bis zu neuen und eigens für die Ausstellung in Basel entstandenen Skulpturen ist der künstlerische Werdegang von Pavel Schmidt dokumentiert.

Der 1956 in der vormaligen CSSR geborene Pavel Schmidt wächst, nach einem Aufenthalt in Mexiko, ab 1968 in Biel und Solothurn auf. 1978 beginnt er sein Studium an der Akademie der Künste in München, wo er 1986 Assistent von Daniel Spoerri wird. Ihn begleitet er 1991 an die Weltausstellung in Sevilla zum "eaten by..."-Projekt. Daniel Spoerri ist denn auch – mit seinen Assemblagen aus gefundenen Elementen – in gewisser Weise der künstlerische Ur-Vater von Pavel Schmidt, der aber seine Inspiration ebenso aus dem Werk von Michelangelo, Botticelli und den Tonmanufakturen von Gräfenroda in Thüringen bezieht.

Schmidts Werk dreht sich um den Gegensatz von Nord und Süd, von Bier und Wein, von Venus und Gartenzwerg. Er untersucht vielgestaltig die Fragen, die sich aus den verschiedenartigen Kulturräumen Europas ergeben, und verfolgt Strategien, in denen er durch Einbezug kultureller Symbole wie dem David von Michelangelo oder eben dem Gartenzwerg neue Konstellationen schafft, deren Ergebnis selten bis nie das unbeschwerte Miteinander, sondern viel häufiger ein spannungsgeladenes Nebeneinander ist. Dass hier auch sexuelle Konfrontationen eine Rolle spielen, versteht sich fast von selbst.

Pavel Schmidt ist Bildhauer, und er ist in ebenso grossem Umfang Zeichner, Maler, Dichter. Er vereint die klassischen Kunstgattungen, und vereinigt sie permanent in seinen Werken. Die Titel gleichen seinen in grosser Zahl, fast täglich, via Short Message Service (SMS) versandten Texten, in den Zeichnungen sind Text und Bild auf gleicher Höhe präsent, sie bedingen einander und weisen aufeinander. Und die Elemente in seinen Skulpturen sind oft auch Illustrationen von Wort- oder Textspielereien, sind also nicht so sehr genuine Skulpturen, sondern bedürfen durch ihre Wortgeburt der Sprache zur Klärung und Begründung.

Pavel Schmidt lässt Werke aus Bruchstücken von Gartenzwergen und Skulpturen – Resultate von Sprengungen oder pyrotechnische Aktionen – entstehen. Diesem vordergründig ikonoklastischen Prozess liegt die totale kulturelle Entwertung des durch den Künstler verwendeten Rohstoffes zugrunde: die Millionenfache Reproduktion des Davids von Michelangelo, die schamlos verkitschte dreidimensionale Verballhornung der Venus von Botticelli, der kulturell plattitüdierte Gartenzwerg aus dem Baumarkt, alles durch ewige Wiederholung wertlos gewordene Kulturgüter, die erst im Akt der Zerstörung und Neu-Zusammensetzung eine Wiedergeburt erlangen können.

Pavel Schmidt arbeitet auf der Reise, er besitzt kein eigentliches Atelier mehr, sondern kreiert in Hotelzimmern, auf Stationen seiner permanenten Europatournee, auf Autobahnraststätten. Oder: für die Ausstellung in Basel kooperiert er mit Spezialisten wie der Glaswerkstatt von Roche. So sind seine Werke zu Nord und Süd Zeugnisse einer Welt, deren Entgrenzung nur imaginär und deren kulturelle Synthese nur gewollt, keinesfalls aber gespürt ist. Das Zusammenwachsen erfolgt erst in den post-ikonoklastischen Skulpturen von Pavel Schmidt.


Zur Ausstellung erscheint in einer dreisprachigen Ausgabe (D/F/E) ein reich bebilderter Katalog bei Kehrer Verlag, Heidelberg (144 Seiten, ca. 80 Farbabb. Preis: CHF 35.—)

p.s. Pavel Schmidt
28. Mai bis 14. September 08