Provokativ, brutal, deftig: Paul Verhoeven und seine Filme

Mit dem Erotikthriller "Basic Instinct" hat Paul Verhoeven einen der Skandalfilme der 1990er Jahre gedreht, mit den Science-Fiction-Thrillern "RoboCop" und "Total Recall" ebenso Megahits gelandet wie mit "Showgirls" einen katastrophalen Flop. Das Österreichische Filmmuseum widmet dem 76-jährigen Niederländer im Juni eine Retrospektive.

Sharon Stone schlägt während des Polizeiverhörs ihre Beine übereinander und für einen Sekundenbruchteil sieht man, dass sie unter ihrem weißen Minikleid keinen Slip trägt. – Für Aufsehen sorgte diese Szene in "Basic Instinct" (1992) Anfang der 1990er Jahre und zeigt auch, wie gekonnt der am 18. Juli 1938 in Amsterdam geborene Paul Verhoeven es versteht, das Publikum zu provozieren: Nicht breit walzt er nämlich die Szene aus, sondern steigert die Schaulust des Publikums, indem er ihm nur einen kurzen Blick erlaubt. Wenig verwunderlich ist so auch, dass diese Szene bei einer Umfrage nach dem Filmmoment, bei dem die meisten Zuschauer beim DVD-Player die Pausetaste drücken, die erste Stelle belegte.

Kein Einzelfall ist diese Provokation im Werk Verhoevens, deftiges Kino schuf er nicht erst in Hollywood, sondern schon in den Niederlanden. Erst spät kam der Sohn eines Lehrers und einer Hutmacherin allerdings zum Film. Nach seiner Schulzeit verbrachte er zunächst ein Jahr in Frankreich, um die Sprache zu lernen, studierte dann Physik und Mathematik und promovierte 1964 in diesen Fächern.

Schon während dieser Studienzeit drehte er erste Kurzfilme und konnte so auch seine Militärzeit als Kameramann und Fotograf der Königlichen Holländischen Marine verbringen. Erst 1971 drehte er als schon 33-Jähriger mit der frivolen Komödie "Was sehe ich…! Was sehe ich…!" seinen ersten Kinofilm und schon zwei Jahre später gelang ihm mit seinem Zweitling "Türkische Früchte" (1973) der internationale Durchbruch.

Diese "Schmuddelversion" der "Love Story", die unverkrampft mit erotischen Details und Promiskuität umging, entwickelte sich mit 3,3 Millionen Kinobesuchern nicht nur zum größten Hit der niederländischen Kinogeschichte, sondern wurde auch für den Oscar nominiert. Es folgte "Das Mädchen Keetje Tippel" (1975), in dem Verhoeven den Leidensweg einer Prostituierten im Amsterdam um 1900 schilderte.

Wie diesen Film kennzeichnet auch "Der Soldat von Oranien" (1977), in dem von der niederländischen Resistance im Zweiten Weltkrieg erzählt wird, sowie "Spetters" (1980), der um die Schicksale mehrerer motorsportbegeisterter Jugendlicher kreist, eine Mischung aus schockierenden Szenen und amüsanten Episoden.

Leise Zwischentöne sind nicht Verhoevens Sache. Sein Kino orientiert sich schon eher am amerikanischen B-Movie und der Direktheit eines Robert Aldrich oder Sam Fuller. Dessen Credo "Film is like a battleground – Gewalt, Leidenschaft, Liebe, Tod" könnte auch als Motto für Verhoevens Werk gelten.

Nach dem Erotikthriller "Der vierte Mann" (1983) ging er mit dem Vorsatz nach Hollywood "den gewalttätigsten Film aller Zeiten" zu inszenieren. Mit der utopischen Satire "RoboCop" (1987) landete er ebenso einen Erfolg wie mit dem Science-Fiction-Film "Total Recall" (1990), in dem Arnold Schwarzenegger die Hauptrolle spielte, und dem Erotikthriller "Basic Instinct" (1992). Die drastische Darstellung von Gewalt und Sexualität in diesen Filmen führte dabei immer wieder zu heftigen Kontroversen. Eine faschistische Haltung wurde Verhoeven ebenso vorgeworfen wie Pornographie, Misogynie und Homophobie.

Auf diese Hits folgten mit seiner Kritik am Showbusiness in "Showgirls" (1995) und mit seiner Militarismus-Satire "Starship Troopers" (1997) aber auch katastrophale Flops. Von der Kritik nicht geliebt, aber immerhin kommerziell erfolgreich war der Science-Fiction-Thriller "Hollow Man" (2000), nach dem Verhoeven in die Niederlande zurückkehrte.

Auch in seiner Heimat blieb er mit "Black Book" (2006), der während der deutschen Besatzung der Niederlande spielt, seinem Kino treu, erzählt von Verrat, Liebe, Gier, Rache und vor allem von unbändigem Lebenswillen in Zeiten des Krieges. Mit dem Klischee vom guten Widerstandskämpfer bricht er dabei ebenso wie mit dem vom bösen Deutschen und schmutzig ist auch die Befreiung vom Nazi-Terror, wenn sich der Volkszorn zum Teil an Unschuldigen entlädt, während hohe Nazis und geschickte Kollaborateure schnell noch die Seite wechseln.

Sein Langzeitprojekt eines Films über das Leben von Jesus, über das er auch ein Buch geschrieben hat, das provokant mit der Vergewaltigung Marias durch einen römischen Soldaten beginnt, konnte er zwar bislang nicht realisieren. Fertiggestellt hat er aber nach dem Thriller "Tricked" (2012), der nur wenig Beachtung fand, mit "Elle" (2016) einen weiteren Psychothriller, der nicht zuletzt dank einer gewohnt großartigen Isabelle Huppert in der Hauptrolle bei den heurigen Filmfestspielen von Cannes begeistert aufgenommen wurde.

Trailer zu "Basic Instinct"