22. August 2017 - 4:30 / Walter Gasperi / Filmriss
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Terry George verknüpft mit zwiespältigem Ergebnis den türkischen Völkermord an den Armeniern mit einer großen Liebes- und Dreiecksgeschichte. Redlich ist das Bemühen des Briten den vielfach vergessenen Massenmord in Erinnerung zu rufen, doch das Private und Politische bedingt sich hier nicht, sondern stört sich gegenseitig.

Bis zu 1,5 Millionen Armenier sollen 1915/16 dem Völkermord durch die Türken zum Opfer gefallen sein. Von offizieller türkischer Seite wird dieses Verbrechen dennoch immer noch geleugnet. Im amerikanischen Film erstmals thematisiert hat diesen Genozid Elia Kazan in seinem autobiographischen "America, America" ("Die Unbezwingbaren", 1962), in Europa missglückte den Brüder Taviani der Versuch dieses Verbrechen in "Das Haus der Lerchen" (2003) aufzuarbeiten ebenso wie Fatih Akin in "The Cut" (2014). Mehr überzeugen konnte der kanadisch-armenische Regisseur Atom Egoyan, der in dem komplexen "Ararat" (2003) die Schwierigkeit der Erinnerungsarbeit und der filmischen Darstellung des Vergangenen ins Zentrum rückte.

Terry George, der in "Hotel Ruanda" (2004) erschütternd den Völkermord der Hutus an den Tutsis aufarbeitete, orientiert sich in "The Promise", dessen 90 Millionen Dollar Produktionskosten weitgehend von dem vor zwei Jahren verstorbenen armenisch-stämmigen US-Milliardärs Kirk Kerkorian zur Verfügung gestellt wurden, an den großen Epen eines David Lean ("Doktor Schiwago").

In prächtigen, lichtdurchfluteten Bildern beschwört George die pittoreske Idylle der in der Südtürkei gelegenen armenischen Stadt Siroun, aus der 1914 der Apotheker Michael (Oscar Isaac) aufbricht, um in Istanbul Medizin zu studieren. Zur Finanzierung dieser Ausbildung hat er sich mit der reichen Maral verlobt, doch in Istanbul verliebt er sich in Ana (Charlotte Le Bon), die Gouvernante der Töchter seines reichen Onkels.

Ana ist aber wiederum mit dem amerikanischen Journalisten Chris (Christian Bale) liiert, dennoch genießen sie gemeinsam mit ihrem türkischen Freund Emre Feiern und Partys in der Bosporus-Metropole, bis die Türkei im Oktober 1914 in den Ersten Weltkrieg eintritt und damit auch Pogrome gegen die Armenier einsetzen.

So ehrenhaft die Absichten von Terry George sind, so will sein Film doch nicht aufgehen. Zu viel will der Brite erzählen. Er lässt Michael nach seiner Gefangenschaft nicht nur ein Martyrium bei der Zwangsarbeit an einer Bahnstrecke durchmachen und Zeuge der grausamen Deportation in Zügen sowie der Todesmärsche durch die Wüste werden, sondern auch wieder in sein Heimatdorf zurückkehren, wo sich seine Zerrissenheit zwischen der Liebe zu Ana und der Verpflichtung gegenüber Maral steigert.

Dazu kommt das Schicksal des Journalisten, der den Völkermord publik machen will, gleichzeitig aber auch eifersüchtig auf Michael ist, der ihm Ana auszuspannen droht, sowie Emre, der zwischen Freundschaft und Druck durch den Vater und die türkischen Behörden hin und hergerissen ist.

Während "Hotel Ruanda" durch die Fokussierung auf einen Protagonisten und ein Ereignis Dichte gewann, verliert sich "The Promise" trotz erschütternder Momente nicht zuletzt in der Breite. An den nationalsozialistischen Holocaust erinnern hier Szenen ebenso, wie an aktuelle Entwicklungen in der Türkei, wenn ein missliebiger Journalist verhaftet wird. Zu viel wird im Schnelldurchlauf angeschnitten, nichts wird vertieft oder verdichtet, sondern episodisch reiht sich Szene an Szene, sodass "The Promise" weder Stringenz noch Durchschlagskraft entwickelt.

Trotz Starbesetzung gewinnen hier auch die Figuren zu wenig Profil, um wirklich mitzureißen. Das liegt weniger an den Schauspielern, die sich redlich bemühen und ihr Bestes geben, als vielmehr an der dürftigen Figurenzeichnung und einer Regie, die kaum Raum zum Spiel lässt.

Vor allem aber stellt die Verknüpfung des Massenmords mit der privaten Dreiecksbeziehung ein Problem dar. Obszön wirkt es schon fast, wie George immer wieder übergangslos vom Leid eines ganzen Volkes zu den privaten Liebessorgen wechselt und diese die nationale Katastrophe teilweise völlig in den Hintergrund drängen. Dazu kommt, dass das Beziehungsgeflecht der Protagonisten und die Wendungen, die sich dabei ergeben, purer Kitsch auf dem Niveau einer Soap-Opera sind.

Den großen Erzählfluss und die mitreißende emotionale Kraft eines "Doktor Schiwago" entwickelt "The Promise" somit nie, doch wichtiger als alle Schwächen ist letztlich vielleicht doch, dass dieser Film immerhin den weithin vergessenen Genozid einem breiteren Publikum plastisch vor Augen führen und ins Bewusstsein rufen kann.

Läuft derzeit im Cinema Dornbirn

Trailer zu "The Promise - Die Erinnerung bleibt"

Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)



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