Press Art

Das Spiel mit dem Ikonischen, mit der visuell überhöhten Darstellung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, hat wohl keiner so perfekt beherrscht wie der Pop-Art-Papst Andy Warhol. Seine Biographie und sein vielschichtiges Werk stehen symbolhaft für viele der Facetten und Themen, die sich in der Beziehung von der Kunst- zur Mediengeschichte im 20. Jahrhundert manifestieren: Starkult, Materialismus, Voyeurismus, Spektakel, Idealismus, Selbstverwirklichung, Selbstinszenierung, Marketing u.a.m. Befeuert vom Betriebsmittel "Massenmedium", hat die Auseinandersetzung mit der gedruckten Information einen eminenten Stellenwert in der bildenden Kunst gewonnen.

Diese wechselseitige Beeinflussung, die sich zwischen Kunst und Massenmedien in den letzten rund 100 Jahren entwickelt hat, ist thematischer Fokus der Kollektion, die das Sammlerpaar Annette und Peter Nobel in den letzten 25 Jahren zusammengetragen hat. Ursprünglich aus der Ostschweiz stammend und bis im Sommer an der Universität St.Gallen (HSG) lehrend, hat der Medien- und Wirtschaftsanwalt Peter Nobel seinen beruflichen Beschäftigungsgegenstand auf die Kunst ausgeweitet. Die Sammlung, die er mit seiner Frau angelegt hat, umfasst mittlerweile mehr als 700 Werke – und wächst ständig weiter.

Die manches Mal provozierenden Koinzidenzen und erstaunlichen Analogien zwischen Kunst und Presse haben ihren Ursprung in der Sammlerpersönlichkeit selbst. Wie Peter Nobel sagt, hat er beim Zusammentragen der Kunstwerke keinerlei enzyklopädische Vollständigkeit angestrebt, sondern sich vielmehr dem Prinzip der "Beiläufigkeit" verschrieben. Eine Beiläufigkeit, die Werke von Weltrang mit grosser Selbstverständlichkeit zu jenen mit regionaler Bedeutung stellt – eine Qualität, die notabene eben auch der News- und Presse-Kultur eigen ist, wo Banales und Biographisches neben Erhabenem und Weltbewegendem zu finden ist.

Vorab künstlerische Bewegungen mit sozialen und politischen Hintergründen – etwa Kubismus, Dadaismus, Konstruktivismus, aber auch die Aufbruchsbewegungen in den 1960er und 1970er Jahren (Arte Povera, Konzeptkunst) oder der medienreflexive Zeitgeist der 1990er Jahre – spiegeln in ihren Werken Sinn und Zweck der Presse und demonstrieren, wie Eindeutigkeit in Mehrdeutigkeit, wie Ernsthaftigkeit ins Spielerische kippt und vice versa. Spätestens seit der technischen Mach- und Manipulierbarkeit der Bilder im digitalen Zeitalter hat Kunst auch eine medienreflexive Funktion. Denn längst sind es nicht mehr die Druckerzeugnisse alleine, welche die Informationshoheit besitzen.

Vor diesem Hintergrund kommt der Ausstellung "Press Art" heute bereits eine historische Dimension zu. Es geht im Grunde letztlich um die Zeugenschaft des Bildes, um seine Glaubwürdigkeit, um seine Behauptungskraft. "Press Art" hinterfragt, ironisiert und konterkariert die gängigen Ordnungssysteme von Bild und Sprache: Gedrucktes wird reflektiert, übermalt und als Rohmaterial für Bilder, als Basis für neues Visuelles genutzt. Dieser eminente historische Bogen, der bis in die Jetztzeit reicht, bildet sich in der Sammlung von Annette und Peter Nobel facetten- und materialreich ab. Und spiegelt dabei nicht nur ein Jahrhundert Kunstgeschichte, sondern liefert entscheidende Stichworte für den Umgang mit Massenmedien.

KünstlerInnen: Jean Arp, Joseph Beuys, Erwin Blumenfeld, Alighiero Boetti, Daniele Buetti, Christo, Le Corbusier, Annelise Coste, Sylvie Fleury, Alberto Giacometti, Raymond Hains, Richard Hamilton, Thomas Hirschhorn, Candida Höfer, Alfredo Jaar, Marcel Janco, Asger Jorn, Willem de Kooning, Barbara Kruger, Hans Krüsi, Urs Lüthi, Manon, Mirò, Vik Muniz, Meret Oppenheim, Sigmar Polke, Robert Rauschenberg, Gerhard Richter, James Rosenquist, Mimmo Rotella, Dieter Roth, Ed Ruscha, Kurt Schwitters, Warwara Fjodorowa, Stepanowa, Antoni Tàpies, Wolfgang Tillmans, Jean Tinguely, Rosmarie Trockel, Günther Uecker, Ben Vautier, Andy Warhol, Franz West, Charlie White u.a.m.

Publikation: Während der Ausstellung erscheint im Verlag Stämpfli (Bern) eine umfangreiche Publikation mit zahlreichen Abbildungen und Texten von Konrad Bitterli, Mario Botta, Jacqueline Burckhardt, Christoph Doswald, Peter Gross, Peter Hartmeier, Thomas Held, Peter von Matt, Miriam Meckel, E. Y. Meyer, Martin Meyer, Agathe Nisple, Dorothea Strauss u.a.m.

Press Art
30. Januar bis 20. Juni 2010