Preis der Kunsthalle Wien 2007

In der diesjährigen Ausstellung zum Preis der Kunsthalle Wien geht es um Grenzüberschreitungen und Grenzerfahrungen. Modi des Erscheinens und Verschwindens werden genauso verhandelt wie Bewegungen in geographischen und psychogeographischen Zonen. Übergänge zwischen realem und virtuellem Raum spielen ebenso eine Rolle wie das Spannungsverhältnis von erzwungener Migration und freiwilligem Dérive. Grenzen und Sichtbarrieren sind willkürliche Setzungen, die ins Leben der Menschen eingreifen, ihnen Routen und Denkverläufe aufzwingen und somit als ideologische Handhabe dienen, um der freien Entfaltung des Individuums die Regulatorien systemgesteuerter Herrschaftsapparate entgegenzusetzen.

Monika Nguyens preisgekrönte Arbeit "See(len)räuber oder Durstig sein ist schlimmer als Heimweh" beschäftigt sich mit der politisch motivierten Flucht tausender Boat People aus Vietnam und ihrem Versuch, in der Diaspora die Heimat als Replikat wiedererstehen zu lassen. Die Installation inszeniert mit präzisem Hyperrealismus das Wohnzimmer einer expatriierten Familie und erzählt gerade in seiner üppigen Detailverliebtheit von einem unwiederbringlichen Verlust, der in Videointerviews mit den Bewohnern manifest gemacht wird.

Gordan Savicic setzt sich in "Constraint City – the pain of everyday life" mit der Reibungshitze zwischen realem und virtuellem Raum auseinander: Denn die urbanen Strukturen des 21.Jahrhunderts sind von einer unsichtbaren Architektur überlagert, einer Landschaft komponiert aus elektromagnetischen Wellen, die Menschen, Fahrzeuge und Gebäude durchdringen und in Resonanz versetzen. Der Flaneur des 19. Jahrhunderts verwandelt sich in einen Spaziergänger durch virtuelle Räume, deren Durchquerung ihm körperlichen Schmerz zufügt: Je nach Verschlüsselung und Signalstärke von gesperrten WLAN-Funknetzwerken verengt sich eine am Brustkorb befestigte Korsage. Das Navigieren durch die Stadt gestaltet sich als psychogeographischer Balance-Akt aus Schmerz und Vernunft: Der Körper als "Kontingenzbewältiger", Realitätsanker und Garant des Konkreten.

Das Projekt der Künstlergruppe 5VOLTCORE (Emanuel Andel & Christian Gützer) "saving myself" thematisiert das chronotopische Universum: Zeit als letzte Grenze des Menschlichen, als modulierbare Maßeinheit des Existentiellen: In einem abgeschotteten, lichtundurchlässigen Glaskubus, der einen Bonsai-Baum beherbergt, wird ein künstliches steuerbares Klima geschaffen. Durch gezielte Veränderung der klimatischen Verhältnisse (Jahreszeiten) bildet ein Bonsai unterschiedlichste Jahresringe aus. Das Klima spiegelt sich in der Stärke der Jahresringe wieder - die sich darin befindliche Pflanze wird so "manipulierbar". Vierteljährlich wird automatisch ein Bild des Baumes gemacht, ausgewertet und dadurch der Belichtungsplan für das kommende viertel Jahr erstellt. So speichert der Baum ein zeitverzerrtes Bild von sich, indem er Jahr für Jahr, Pixel für Pixel in seine Jahresringe schreibt.

Nina Rike Springer schließlich setzt sich in "Geheimnisse - Secrets And Hiding" mit der Population und De-Population von Räumen auseinander. Ihre kunstvoll konzipierten Farbfotografien konturieren eine Ästhetik des Erscheinens und Verschwindens, in dem Körperteile/ Teilkörper zu quasi-surrealen Assemblagen konstellieren. Der Mensch als organloser Körper im Theater eines schattenhaften Begehrens. Die Sichtblende als Grenze der existentiellen Transparenz. Im Verschwinden manifestiert sich das Da-Sein als Erinnerungsspur und das Foto wird zum abstrakten Rätselspiel.

Der Preis der Kunsthalle Wien wird jährlich an eine/n Absolventin/en der Universität für angewandte Kunst Wien vergeben. 2007 erhält Monika Nguyen den Hauptpreis mit einem Preisgeld in der Höhe von 3.900,- Euro. In einer gemeinsamen Schau im project space der Kunsthalle Wien werden alle prämierten Arbeiten gezeigt.


Borderline - Preis der Kunsthalle Wien 2007
in Kooperation mit der Uni für angewandte Kunst
19. Dezember 2007 bis 13. Jänner 2008