Pop Life

"Gute Geschäfte sind die beste Kunst" – die Ausstellung Pop Life nimmt Andy Warhols berüchtigte Provokation zum Ausgangspunkt, um das Vermächtnis der Pop Art und den Einfluss ihrer bedeutendsten Vertreter vollkommen neu zu interpretieren. Pop Life zeigt die verschiedenen Methoden, mit denen sich Künstler seit den 1980er Jahren auf die Massenmedien eingelassen haben, und wie sie dabei ihre künstlerische Persönlichkeit bewusst als "Marke" geschaffen und kultiviert haben.

Neben Werken von Andy Warhol werden Arbeiten von Keith Haring, Jeff Koons, Damien Hirst , Richard Prince, Martin Kippenberger, Tracey Emin, Takashi Murakami und anderen gezeigt. Die Ausstellung umfasst etwa 320 Exponate, darunter Gemälde, Zeichnungen, Photographien, Zeitschriften, Skulpturen, Videos, Merchandisingobjekte, einen Shop und Rauminstallationen.

Pop Life argumentiert, dass sich Andy Warhols radikalste Lektion im Werk jener Künstler der folgenden Generationen spiegelt, die die Alltagskultur nicht nur in ihren Bildern reproduzieren, sondern die sich darüber hinaus strategisch in die Mechanismen des Marktes, der Massenmedien und der allgegenwärtigen Präsenz der Werbung einschmuggeln, um ein Publikum weit über die Galerien hinaus zu erreichen. Die Verbindung von Kultur und Kommerz wird gemeinhin als Verrat an den Werten der modernen Kunst angesehen. Pop Life hingegen zeigt, dass für viele Künstler nach Warhol erst in dieser Verschmelzung eine Interaktion mit der gegenwärtigen Welt überhaupt möglich wird.

Ein zentrales Thema der Ausstellung ist der Aspekt des Performativen, der sich in der Selbstdarstellung und dem Rollenverständnis der Künstler innerhalb der Medienwelt und des Kunstbetriebes offenbart. Die Künstler agieren selbst an den entscheidenden Stellen u. a. als Fälscher, als Prominente, als Verleger, als Kunsthändler, als Galeristen, als Geschäftsinhaber, als Kuratoren, als TV-Moderatoren oder gar als Auktionator. Sie schleusen sich getarnt in die Funktionsmechanismen des Produkt- und Informationskreislaufs ein und decken diese dabei auf, ohne selbst Position zu beziehen. Hierin liegt der doppelbödige, zugleich affirmative und kritische Gehalt von Pop Life.

Die Ausstellung beginnt mit einem Schwerpunkt auf dem Spätwerk Warhols und seinen für diese Zeit charakteristischen Unternehmungen als TV-Persönlichkeit, als Werbeikone und als Herausgeber der Zeitschrift Interview. Unter den Höhepunkten befinden sich eine Reihe seiner anfänglich umstrittenen Serien, die als Retrospectives (Retrospektiven) oder Reversals (Umkehrungen) bekannt wurden. In der Wiederaufnahme der Bilder berühmter Pop-Ikonen der 1960er Jahre, nehmen die Retrospectives Installationen von Künstlern wie Martin Kippenberger oder Tracey Emin vorweg. Diese folgen, wie Warhol, in offensiver Weise dem Impuls der Selbst-Mythologisierung. Den Entwurf ihrer öffentlichen Person und deren Verbreitung als Marke verstehen sie als grundlegendes Rüstzeug ihrer Profession.

Pop Life wird Rekonstruktionen von Keith Harings Pop Shop und die selten zusammengeführten Arbeiten von Jeff Koons’ Serie Made in Heaven zeigen. Haring eröffnete den Pop Shop im Jahre 1986 in der Lafayette Street in New York um seine zur Marke gewordene künstlerische Handschrift in Merchandising-Produkten wie T-Shirts, Spielsachen und Magneten an ein möglichst großes Publikum zu vertreiben. Jeff Koons’ Serie Made in Heaven wurde erstmals auf der Biennale von Venedig 1991 gezeigt. In ihr preist der Künstler seine eheliche Vereinigung mit dem italienischen Pornostar Ilona Staller, genannt La Cicciolina, in aller Öffentlichkeit an.

Martin Kippenberger widmet Pop Life in Hamburg mehrere Räume, darunter eine spezielle, nur hier zu sehende Präsentation mit frühen Werken aus der Sammlung der Hamburger Filmautorin Gisela Stelly Augstein. In den schwarzweißen Fotovermalungen der Serie Un Tedesco in Firenze, den "Ideentafeln" und einer Fülle von Briefen und Postkarten an die von Kippenberger verehrte Stelly Augstein lässt die Ausstellung hautnah die Anfänge des glänzenden Selbstdarstellers und Gesellschaftsanalytikers miterleben, der mit Provokation und Spott in der Tradition von Dada und Fluxus an der Demontage des traditionellen Kunstbegriffs arbeitete.

Ein weiterer Teil der Ausstellung ist den so genannten Young British Artists gewidmet und rückt deren frühe Unternehmungen in den Mittelpunkt. Darunter befindet sich der Shop von Tracey Emin und Sarah Lucas, den die beiden Künstlerinnen im Londoner Stadtteil Bethnal Green eröffneten, und in dem sie Arbeiten schufen und verkauften. Berühmte Werke von Gavin Turk sind ebenso vertreten wie speziell ausgewählte Arbeiten aus Damien Hirsts spektakulärer Sotheby’s-Auktion Beautiful Inside My Head Forever im September 2008. Eine eigens in Auftrag gegebene neue Installation des japanischen Künstlers Takashi Murakami, der ein eigenes weltweit agierendes Unternehmen zur Verbreitung seiner Kunst betreibt, wird in einem der abschließenden Räume zu sehen sein.

Zur Ausstellung erscheint im DuMont Verlag ein reich bebilderter Katalog mit Beiträgen von: Jack Bankowsky, Catherine Wood, Alison M. Gingeras, Scott Rothkopf und Nicholas Cullinan.

Pop Life. Warhol, Haring, Koons, Hirst ...
Eine Ausstellung der Tate Modern, London, in Zusammenarbeit
mit der Hamburger Kunsthalle.
12. Februar bis 9. Mai 2010