Ab 20. Jänner präsentiert die Galerie.Z in Hard Zeichnungen von Peter Wehinger. Der Künstler entführt in seiner zweiten Einzelausstellung den Betrachter in das Reich der Märchen. Diese, allgemein bekannten Geschichten, die sich in der Regel an Kinder richten, machen in seinen Zeichnungen eine Wandlung durch.
Wer den künstlerischen Weg des gebürtigen Dornbirners verfolgt, erkennt recht schnell seinen Hang zum Subversiven. Das Unterwandern von allgemein akzeptierten, tradierten und gesellschaftlich geprägten Bildern ist zu seinem Markenzeichen geworden. Die anhand weniger Versatzstücke leicht zu erkennenden Erzählungen, werden modifiziert, die Protagonist:innen sind stark gealtert, und so nimmt die Geschichte einen neuen Lauf, entspinnt sich für die Betrachter:in eine neue Bedeutung.
Nach Objekten und Installationen, mit denen der Absolvent der Akademie der bildenden Künste in Wien anfangs am Kunstmarkt auftrat, wählte er zunehmend die Zeichnung als Ausdrucksmittel und den Prozess des Alterns als Thema. Selbstverständlich unter Beibehaltung des Hintersinnigen. Mit der Serie "Männer" oder "pin up", mit der sich der Künstler 2012 erstmals in der Galerie.Z präsentierte, intensivierte er seine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Alterns. Scharf beobachtend, unerbittlich radikal sowie schonungslos eindeutig bildet er vornehmlich alte Männer, die er im Gegensatz zum Marketingsprech nicht Senioren nennt, ab. Alte weiße Männer in Variationen von mehr oder weniger anmutigen Posen, angestrengt um Haltung bemüht, darin offenkundig aber glücklos sind Peter Wehinger Protagonisten.
Schutzlos also nackt sind sie naturgemäß dem körperlichen Verfall preisgegeben. Der Lächerlichkeit und der Obszönität hingegen liefert sie der Künstler bewusst nicht aus. Mit wenigen einfachen Strichen verleiht er den alternden Modellen eine wenn auch im Schwinden begriffene Attraktivität. Am Schönheitsbegriff wie er gegenwärtig definiert und als Norm postuliert wird, danach richtet er seinen Stil ohnehin nicht aus. Weder perfekt gestylten Körpern als Vorlage für seine Arbeiten noch perfekten Zeichnungen kann er viel abgewinnen. Eigenständigkeit und eine von akademischer Schulung befreite Handschrift sind dem ehemaligen Studenten von Gunter Damisch, Monika Bonvicini und Peter Kogler wichtiger.
Konfrontierte uns Peter Wehinger schon angesichts von schrumpeligen Männern mit dem unausweichlichen Altern, so stellen die in "Sabotage" gezeigten Märchenfiguren eine gesteigerte Version dar. Immerhin haben wir die jugendlichen Helden, Ritter, Prinzessinnen und Feen als bezaubernde Wesen verinnerlicht. Peter Wehinger entzaubert sie alle und sabotiert somit die Erinnerungen aus der Kindheit. Hängende Brüste, schlaffe Oberschenkel, runzelige Gesichter und der Schwerkraft anheimgefallene Bäuche sind so natürlich wie irritierend, zumal im Reich der Märchen nicht vorgesehen.
Eine stark gealterte Rapunzel, Gretel oder Prinzessin, ein alter Hänsel oder Struwwelpeter geben den Figuren und damit den Geschichten eine völlig neue Wendung. Überlegungen zu Einsamkeit im Alter, einem schrittweisen Abgleiten in die Vergessenheit oder die Unsichtbarkeit von alten Menschen stellen sich ein. Die Alten von Peter Wehinger werfen existenzielle Fragen auf und werfen uns auf uns selbst zurück.
Das Konzentrat dieser Thematik bildet eine Reihe von Zeichnungen mit dem Titel "Ich". Peter Wehinger selbst ist darin in verschiedenen Körperhaltungen zu sehen, die ein sportliches Ringen zeigen. Auf einer höheren Ebene stößt er damit in unser Innerstes vor. In diesem Sinn bedeutet das Ringen ein Ringen mit uns selbst, unseren Überzeugungen und Haltungen. Bei der Arbeit "Friktion" verdichtet sich dieses Zurückgeworfensein auf sich selbst weiter. Eine Konfrontation mit sich selbst ist unausweichlich. Der internalisierte "Saboteur" bleibt ein Begleiter bis ins hohe Alter. Peter Wehinger führt dies provokant, ungeschönt und dennoch versöhnlich vor Augen.
Peter Wehinger - Sabotage
20. Jänner bis 19. Februar 2022