Peter Riek. Intimes Inventar

Hätte man den Künstler Peter Riek (*1960, lebt in Heilbronn) mit einem Wort zu bestimmen, so wird man ihn einen Zeichner nennen. Seine Ausstellungen, seine Publikationen und sein Atelier sind – Speichern gleich – angefüllt mit Zeichnungen. Dennoch ist Peter Riek ein ungewöhnlicher Zeichner, da ihm das klassische Format, das Blatt Papier, nur selten ausreicht. Wieder und wieder greift er in den Raum aus, setzt er seine Zeichnungen (meist Fettkreide) zu wandfüllenden Arrangements zusammen, fügt er seine Blätter in "Gehäuse" ein.

"Intimes Inventar", so der Titel der Singener Ausstellung, meint einerseits das Repertoire der Formen, das "sich über die Jahre angesammelt und festgesetzt" hat (Peter Riek), andererseits die aktuelle, sehr konkrete Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem eigenen Körper und seinen Organen. In Rieks "Räumen der Zeichnung" mischen sich die Möglichkeiten des Aufbruchs, aber auch der Vergänglichkeit unauflöslich und gehen in eins.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Installation: "wenn alles gut geht Kapelle bauen" (2012): Ein klappriges Floß, grob aus Ölfässern, verbogenen Blechen und einer Euro-Palette zusammengefügt, trägt ein mit Aluminiumblechen ummanteltes, schräg stehendes Häuschen, in das die "Straßenzeichnungen" (Fotos von Kreidezeichnungen auf Asphalt) des Zeichners eingebaut sind. Wie in vielen Arbeiten Peter Rieks verdichten sich auch hier die fragmentarischen Formen unerwartet zu Zeichen, die dem Betrachter einen poetischen "Denkraum" eröffnen. Votivkapellen errichteten unsere Vorfahren, wenn sie aus Krankheit und Not errettet wurden. Warum aber macht diese Kapelle, die auf einem Floß zu schwanken scheint, den Eindruck des Unfertigen, Ungesicherten, Unbehausten?

Im Innern der Kapelle wirft eine Glühbirne ihr schwaches Licht auf jene vergänglichen, fotografisch dokumentierten Zeichnungen, die Riek en route, also unterwegs geschaffen hat und schon beim nächsten Regen weg gewaschen wurden. Hier ist das Kunstwerk – in unserer Vorstellung häufig immer noch ein Versprechen auf Dauer und Ewigkeit – nichts Festes, Abgeschlossenes, sondern ein Zustand, der inmitten eines unstillbaren Prozesses kurzzeitig Form gefunden hat. Peter Rieks Vorgehen könnte man als eine Aktivierung von Echos und Reflexen charakterisieren; die Bedeutung der temporären Arbeiten – angestoßen durch Reisen, Erlebnisse, Erfahrungen, Texte, Orte usw. – erschließt sich im Hin und Her der Chiffren und Assoziationen.

Gezielt für die Singener Ausstellung wird Peter Riek für den Wechselausstellungsraum des Museums drei neue Arbeiten realisieren: "Briefe an meinen Vater" – eine große raumbezogene Installation mit circa 40 Zeichnungen und Wäschestücken auf einer großflächig angelegten Wandzeichnung; "kleiner Wagen" – ein Leuchtkasten mit einer Straßenzeichnung und Rädern sowie "Album" – eine Sammlung an Zeichnungen in acht Vitrinen. Hinzu kommen weitere Fettkreiden- und Teppich-Zeichnungen in unterschiedlichsten Präsentationen, Blechschnitte (Aluminium, Lackfarbe auf Papier), Leuchtdias und Installationen wie: "meine Schiffe sollen brennen" (Holzschiffe mit bezeichneten Segeln), die, so der Untertitel der Ausstellung, die einzelnen Museumsräume in "Räume der Zeichnung" verwandeln werden.

Peter Riek gehört zu den bekanntesten Zeichenkünstlern aus dem deutschen Südwesten, dessen Werke seit 1982 im In- und Ausland gezeigt werden. Er studierte 1979 – 84 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und erhielt zahlreiche Stipendien in Deutschland und in der Schweiz, darunter auch – 1998 und 2010/11 – die Stipendien des Kunstmuseums Kartause Ittingen und der Stiftung Bartels Foundation in Basel. Im Singener Kunstmuseum waren Arbeiten Peter Rieks in der "SingenKunst 2009" (Kunstverein Singen) und 2003 seine Installation "Kiosk" (in Kooperation mit dem Centre d´art contemporain André Malraux, dem Hospitalhof und dem Institut Francais Stuttgart) als Einbau in die Werkschau "Otto Dix im Hegau und am Bodensee 1933 – 1969" zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint, in Kooperation mit dem Kunstverein Pforzheim im Reuchlinhaus, ein Katalog mit Abbildungstafeln von den Ausstellungen und einem eingelegtem Textheft mit Aufsätzen von Bettina Schönfelder und Christoph Bauer. Christoph Bauer (Städtisches Kunstmuseum Singen)

Peter Riek. Intimes Inventar
Räume der Zeichnung
2. Februar bis 31. März 2013