Perfektes Kino durch Teamwork: William Wyler

"Ben Hur", "Ein Herz und eine Krone", "Wuthering Heights" – Die Filme sind ungleich bekannter als ihr Regisseur. In der Unterordnung unter den Stoff, im Verzicht auf Mätzchen und dem perfekten Zusammenspiel mit seiner Crew und seinen Schauspielern bestand aber gerade die Klasse William Wylers. Das Österreichische Filmmuseum widmet dem dreifachen Oscargewinner zusammen mit John Huston eine Retrospektive.

Das Österreichische Filmmuseum stellt dem Werk William Wylers das John Hustons gegenüber und lässt es zudem in Dialog mit Frank Capra, John Ford und George Stevens treten. Während Huston freilich als klassischer Autorenfilmer gilt, hat Wyler mehr den Ruf eines Handwerkers. Sein Werk zeichnet sich nicht durch einen unverwechselbaren Stil und wiederkehrende Themen aus, vielmehr versuchte er sich in allen Genres.

Gerade die Unterordnung unter den Stoff, die Fähigkeit Mitarbeiter und Schauspieler, mit denen er Einstellungen bis zu 50 mal wiederholte, in seine Arbeit einzubinden, ließen aber perfektes Kino entstehen. Wie sehr das in Hollywood erkannt und geschätzt wurde, zeigt sich an den einmaligen 12 Oscar-Nominierungen Wylers als Regisseur und sagenhaften 127 Nominierungen für seine Filme. Für "Mrs Miniver" (1942), "The Best Years of Our Lives" (1946) und "Ben Hur" (1959) gewann er den Regie-Oscar, 13 Schauspielern verhalf er bei 38 Nominierungen zu der begehrten goldenen Statuette.

In die Wiege gelegt war die Filmkarriere dem am 1. Juli 1902 im elsässischen Mülhausen geborenen William Wyler freilich nicht. Wäre es nach den Eltern gegangen, hätte er deren Bekleidungsgeschäft übernommen, doch William interessierte sich dafür wenig. Er besuchte zwar die Ècole superieure de commerce in Lausanne, studierte dann in Paris, bis ihn die Mutter 1920 ihrem gerade in Zürich weilenden Cousin Carl Laemmle, dem Chef der Universal Studios, vorstellte. Dieser lud William nach Amerika ein, wo er das Filmgeschäft von der Pike auf lernte.

Vom Bürojungen über den Assistenten des Requisiteurs und des Cutters bis zum Regie-Assistenten bei Fred Niblos Erstverfilmung von "Ben Hur" (1925) arbeitete er sich hoch und drehte bald selbst als Regisseur kurze Western. Immer wieder betonte er später, dass die sichere Beherrschung des Handwerks die Grundlage guter Arbeit sei. Ihn auf einen versierten Handwerker zu reduzieren würde ihm freilich keineswegs gerecht, denn er verstand es als Dirigent des Filmteams, als der er sich immer sah, perfektes Kino und damit große Kunst zu schaffen.

Nach ersten Jahren bei Universal begann 1935 in der Zusammenarbeit mit dem Produzenten Samuel Goldwyn seine große Zeit. Mit "Jezebel" (1938) schuf er ein Gegenstück zu "Gone With the Wind", mit "Wuthering Heights" ("Sturmhöhe", 1939) eine meisterhafte Emily Bronte-Verfilmung, mit "The Little Foxes" (1942) ein bestechendes Familiendrama und mit "The Best Years of Our Lives" (1946) ein zeitloses Meisterwerk über die schwierige Rückkehr von Kriegsveteranen in das bürgerliche Leben.

Nicht nur Wylers schnörkelloser Regie und großen schauspielerischen Leistungen von Stars wie Laurence Olivier, Bette Davis, Fredric March und Dana Andrews sondern ganz entscheidend auch der Kameraarbeit von Gregg Toland verdanken diese Filme ihre ungebrochene Wirkung. Wie in Orson Welles´ legendärem "Citizen Kane" (1941) arbeitet Toland auch in diesen Filmen mit einer Tiefenschärfe, die es Wyler ermöglichte in langen Einstellungen zu erzählen und mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund zu arbeiten.

Seine Vielseitigkeit stellte er auch in den folgenden Jahren unter Beweis, als er auf die düstere Charakterstudie "The Heiress" (1949), die Olivia de Havilland den zweiten Oscar bescherte, den nur an einem Tag und zur Gänze in einem New Yorker Polizeirevier spielenden "Detective Story" (1951) und die romantische Komödie "Roman Holiday" ("Ein Herz und eine Krone", 1953), die Audrey Hepburn zum Star machte, folgen ließ.

Immer wieder adaptierte Wyler Theaterstücke und ließ seine Filme folglich in eng begrenzten Räumen spielen, doch theatralisch wirken sie deshalb nie, denn meisterhaft verstand er mit dem Raum und natürlich mit den Schauspielern zu arbeiten. Da entwickelte er in "The Desperate Hours" ("An einem Tag wie jeder andere", 1955) in einem Vorstadthaus eine packende Konfrontation zwischen drei ausgebrochenen Sträflingen und einer bürgerlichen Familie, die als Geisel genommen wird, oder ließ den Zuschauer in dem Thriller "The Collector" (1965) in einen Keller steigen, in dem ein neurotischer Bankangestellter eine junge Frau gefangen hält.

Zweimal verfilmte hat er Lilian Hellmans Theaterstück "The Children´s Hour". Während er dabei 1936 ("These Three – The Loudest Whisper") alle Anspielungen auf eine lesbische Beziehung noch durch eine Dreiecksgeschichte ersetzen musste, konnte er die Auswirkungen von Verleumdung und Vorurteilen 1961 in "The Chilrdren´s Hour" ("Infam") packend anprangern, auch wenn auch hier das Wort "lesbisch" nie fiel.

Nicht nur Unterhaltung wollte Wyler eben bieten, sondern immer auch eine humanistische Botschaft. So bestimmt auch ein Plädoyer für Pazifismus sein Bürgerkriegsdrama "Friendly Persuasion" ("Lockende Versuchung", 1956) ebenso wie seinen großen Western "The Big Country" (1958). Wie hier an die Stelle der sonst engen Räume die weite Landschaft tritt, so bewies er andererseits in seinem mit elf Oscars ausgezeichneten Monumentalfilm "Ben Hur", dass er auch spektakuläre Massenszenen souverän inszenieren kann.

Neugierig blieb er auch in der Zeit, als das Studio-System Hollywoods, zu dessen großen Meistern er zweifellos zählt, in den 1960er Jahren zerbrach. Mit "Funny Girl" (1968) wagte er in dieser Zeit seinen ersten Ausflug ins Musical und machte Barbra Streisand zum Star, gesellschaftspolitisches Engagement zeigte er dagegen nochmals mit dem Rassismusdrama "The Liberation of L. B. Jones" (1970), das allerdings weder bei der Kritik noch beim Publikum ankam. Der letzte Film dieses Großen der Filmgeschichte sollte dies werden. Elf Jahre später starb Wyler am 27. Juli 1981 in Los Angeles.

Rede Williams Wyler anlässlich der Verleihung des AFI Life Achievement Award 1976