Paula Modersohn-Becker. Zwischen Worpswede und Paris

Die Beharrlichkeit, mit der die junge Malerin Paula Modersohn-Becker (1876-1907) Anfang des 20. Jahrhunderts in einer fast ausnahmslos männlich dominierten Kunstwelt ihre Ziele verfolgte, fasziniert auch heute noch. Selbstbewusst und selbstgewiss, unabhängig vom Urteil ihrer Lehrer, Malerkollegen und Kritiker gelang es ihr, etwas wirklich Neues in der Malerei zu schaffen.

Ihr in nur wenigen Jahren entstandenes Oeuvre weist sie als Vorläuferin des Expressionismus aus. Ersten Studienjahren in Berlin, suchte die junge Malerin bereits 1898 Anschluss an die gerade berühmt gewordene Künstlerkolonie Worpswede in der Nähe von Bremen. Fritz Mackensen wurde ihr Lehrer, der um einiges ältere Otto Modersohn ihr Mann. Beide waren angesehene Künstler, doch auch Paula Becker gelang es bald schon, mit ihrer ganz individuellen, eigenartigen Malerei Beachtung zu finden. Akzeptiert, sogar bewundert wurde sie dennoch nur von Künstlern, die sie genau kannten und beobachteten: neben Otto Modersohn waren das zuerst Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke.

Worpswede, wo man noch den Naturalismus in einer idyllischen Landschafts- und Genremalerei pflegte, wurde ihr bald zu eng. So suchte sie nach Inspiration in der berühmtesten Kunstmetropole der Zeit. In der Neujahrsnacht 1900 machte sie sich zum ersten Mal auf nach Paris. Ein halbes Jahr verbrachte sie dort, studierte an der Académie Colarossi und nutzt ihre freie Zeit, Ausstellungen mit alter und junger Kunst zu besuchen. Bis zu ihrem frühen Tod im Alter von nur 31 Jahren folgten drei weitere mehrmonatige Aufenthalte in der Stadt an der Seine. Sie zeichnete im Louvre, traf Rodin und setzte sich mit Cézanne, Gauguin, van Gogh und Picasso auseinander. Sie ließ sich von den neuesten französischen Strömungen anregen und behielt dabei ihren ureigenen Stil.

In ihrer Malerei konzentrierte sie sich auf Klarheit und Einfachheit des Ausdrucks. Auch wenn sie mit Vorliebe Kinder, Alte und einfache Leute malte, verlieh sie den Porträts dadurch Monumentalität. Paula Modersohn-Becker verband das genaue Studium von Landschaft und Menschen mit der freien Erfindung von Formen und Farben, so dass ihre Modelle bei aller Kargheit eine sonderbar leuchtende, einzigartige Ausstrahlung erhielten. Mit Bedacht komponierte sie in der Fläche, so dass sich das Gesehene aus dem naturalistischen Zusammenhang löst. Deshalb gilt sie als frühere Vertreterin des Expressionismus.

Erste Anerkennung erhielt Paula Modersohn-Becker erst einige Jahrzehnte nach ihrem Tod. Einer, der das Werk Paula Modersohn-Beckers früh bereits schätzen lernte, war August von der Heydt. Bereits 1909, zwei Jahre nach ihrem Tod, erwarb der Bankier und Kunstmäzen sein erstes Gemälde von ihr: das "Stillleben mit Rhododendron". Heute besitzt das Von der Heydt-Museum mehr als 20 ihrer Gemälde, zumeist aus der späten und reifen Zeit der Malerin. Sie bilden den Grundstock der jetzigen Ausstellung.

Mit der Ausstellung macht das Von der Heydt-Museum deutlich, in welchem Zwiespalt die junge Malerin steckte, und dass sie trotzdem ihren ganz eigenen Weg fand. Ihre eindrucksvollen Porträts, Selbstporträts, Stillleben und Landschaften werden einerseits zusammen mit ausgewählten Gemälden ihrer Malerfreunde - Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende und Heinrich Vogeler - aus Worpswede gezeigt. Andererseits setzt die Schau ihr Werk in den Kontext der Pariser Avantgarde, vertreten durch Arbeiten von Rodin, Maillol, Cézanne, Gauguin und Bernard.


Paula Modersohn-Becker. Zwischen Worpswede und Paris
9. September 2018 bis 6. Januar 2019