Pathos in Rot

Mihály Biró, einem der bekanntesten und kompromisslosesten ungarischen Grafiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ist die Ausstellung "Pathos in Rot" im MAK-Kunstblättersaal gewidmet. Der sozial und politisch engagierte Künstler begründete 1920 ein für Österreich neues Genre – das politisch motivierte Bildplakat. Eine repräsentative Auswahl aus den 45 Biró-Plakaten der MAK-Sammlung wird ab 6. Oktober 2010 gezeigt. Zu sehen sind unter anderem Variationen des "Roten Mann mit dem Hammer" (1912), das untrennbar mit Birós Namen verbunden ist und mit dem er international reüssierte.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Plakate, die die Ereignisse der österreichischen und ungarischen Politik der Vor- und Zwischenkriegszeit dokumentieren, sowie gebrauchsgrafische Arbeiten und Werbeplakate (u.a. für die Wiener Messe, Julius Meinl, Abadie und MEM), Postkarten, Fotografien, zudem eine Serie von 20 Lithographien, die sogenannte Horthy-Mappe.

Der in Budapest geborene Mihály Biró (1886–1948) hat sich schon früh der Idee der Sozialdemokraten verschrieben. In der Zeit zwischen 1910 und 1914 gestaltete er für die SDPU (Sozialdemokratische Partei Ungarns) und für deren Zentralorgan, die Zeitschrift Népszava, aufsehenerregende Plakate und Illustrationen. Diese richteten sich gegen Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung und sind ein Appell für Humanismus, soziale Gerechtigkeit und Fortschritt. In Folge erhielt er auch Aufträge für kulturelle und kommerzielle Plakate und wurde zu einem der meist beschäftigten Grafiker seiner Zeit. Eines der bekanntesten Plakate Birós für "Palma Gummiabsätze" (1911) gelangte in zahlreichen Versionen in Druck. In der MAK-Variante tritt ein hagerer Dandy, der seinen Zylinder in der Hand balanciert, leicht über die monumentalisierte plastische Aufschrift.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Biró für die Ungarische Räterepublik zum grafischen Sprachrohr der neuen "Ungarischen Roten Armee". Doch musste er kurz darauf vor der rechten Miklós-Horthy-Diktatur nach Wien fliehen, wo er zwischen 1919 und 1928 Zuflucht fand. Die in der Ausstellung präsentierte "Horthy-Mappe" (1920) brachte eine Zäsur in sein Leben. In dieser sehr seltenen, 20 Farblithografien umfassenden Arbeit dokumentierte Biró die Gräueltaten des Horthy-Regimes auf eindringliche Weise. Die Mappe ist eine visualisierte Berichterstattung von ungarischen Emigranten in Wien, die dem Künstler dort über die dramatischen Geschehnisse berichteten. Offizielle Protestnoten der Horthy-Regierung und Birós Verfolgung waren die Folge.

1920 gestaltete Biró in Wien für den Nationalratswahlkampf alle Bildplakate der Sozialdemokraten und begründete ihre damalige "Corporate Identity". Er schuf sechs verschiedene Wahlplakate, von denen der heldenhafte, riesige Arbeiter mit dem Hammer am ausdrucksstärksten war.

Neben den politischen Plakaten – Birós eigentlicher Berufung – entstanden Plakate für die Wirtschaft und der in der Zwischenkriegszeit boomenden Filmbranche. Zu den spektakulärsten Werken dieser Zeit gehören die von Biró für die Toilettartikel erzeugende Firma MEM (Akronym für Martin Emil Mayer) kreierten Plakate. Durch Vergrößerung oder Umgestaltung prägte sich der Firmennamen in besonderer Weise beim Betrachter ein. Die riesigen Buchstaben MEM bilden optisch übereinandergestellt ein futuristisches Fabriksgebäude der Firma. In einem anderen Beispiel formieren sich die monumentalisierten Buchstaben zur tragenden Achse des Riesenrads im Prater, eines berühmten Wiener Wahrzeichens. Die in kühner Verkürzung dargestellten Buchstaben-Reklamen hatten räumliche und suggestive Wirkung.

1928 übersiedelte der Grafiker nach Berlin, wo damals Kunst und Kultur boomten. In den darauffolgenden Jahren entstanden zahlreiche Filmplakate für die "UFA", bei der er angestellt war. Durch den beginnenden Nationalsozialismus verschlechterte sich Birós wirtschaftliche Lage zunehmend. Durch die Rückkehr nach Wien, 1932 bis 1934, wurde seine Situation jedoch kaum besser – außer einigen kleinen Reklamearbeiten erhielt er keine Aufträge mehr. Schließlich floh er 1934 vor dem Austrofaschismus in die Tschechoslowakei, wo er krank und depressiv wurde.

1938 gelang ihm die Flucht nach Paris, wo er sich bis 1947 aufhielt. Doch als Künstler war auch dort seine Situation aussichtslos, seine Krankheit und sein körperlicher Verfall verstärkten sich. Schwer lungenkrank kam er ins "Rothschild Hospital", wo er als einer der wenigen Überlebenden bei der Befreiung von Paris am 24. August 1944 aufgefunden wurde. Erst 1947 konnte er wieder nach Budapest zurück kehren, wo er 1948 starb.

Publikation: "Mihály Biró. Pathos in Rot", herausgegeben von Peter Noever, mit Beiträgen von Michael Diers, Sebastian Hackenschmidt, Peter Klinger, Peter Noever, Kathrin Pokorny-Nagel, MAK Studies 19, ca. 128 Seiten, EUR 20,–

Mihály Biró. Pathos in Rot
6. Oktober 2010 bis 9. Jänner 2011