Passing Through Color

"Passing Through Color" betitelt die Malerin Judy Ledgerwood (geb. 1959) ihre Ausstellung bei Häusler Contemporary München. Unter diesem vielsagenden Motto wird in den Galerieräumen eine Gegenüberstellung von ornamental besetzter Farbfeldmalerei, wie sie Ledgerwood seit den 1990ern stetig weiter entwickelt, und neuesten Werken, die in der seltenen Technik der Enkaustik geschaffen sind, präsentiert. In all diesen Arbeiten ist es stets das Geheimnis der Farbe, das dem Besucher eine besondere "Erlebnisreise" ermöglicht.

Seit den frühen 1980er-Jahren schafft Judy Ledgerwood Gemälde und Wandmalereien von monumentalem Ausmass, in denen der Farbe, ihrem Licht und ihrer immanenten Räumlichkeit eine vorrangige Rolle zukommt. Ganz bewusst nimmt die Künstlerin dabei ihre eigene Verortung innerhalb der jüngeren Kunstgeschichte und ihrem Umgang mit Farbe und Form vor und fordert selbstbewusst die hier vorherrschenden, vermeintlich fixen Prämissen und Rollenzuweisungen heraus.

Mit deutlich sichtbarem Pinselduktus, der an den abstrakten Expressionismus gemahnt, macht Ledgerwood sich das geometrische Formenvokabular der konkreten Kunst zu eigen und setzt dieses oft seriell wiederholt ins Bild, sodass die Gesamtkomposition sich dem Textildesign annähert. "April Sun" (2005) und "Bigger Better Than Blonde" (2007) beispielsweise stehen in unserer Ausstellung exemplarisch für diese gekonnte Vereinigung von scheinbar diametralen Strategien. Aspekte aus traditionell männlich besetzten Bereichen der Malerei und Elemente aus dem vorrangig weiblich konnotierten Textilhandwerk verbinden sich, sodass die Grenzen der konkreten Abstraktion auf einzigartige Weise um den Aspekt der Sinnlichkeit erweitert werden.

Diese sinnliche Ausstrahlung wird in den Enkaustik-Gemälden, die seit 2012 entstehen, noch gesteigert. Eine Reise nach Indien in diesem Jahr und das Erlebnis des Holi-Festes haben Ledgerwoods Reflexionen zum Thema Farbe massgebend geprägt. Bei dem indischen Frühlingsfest, das zum ersten Frühjahrsvollmond vollzogen wird, bewerfen sich die Menschen auf der Strasse mit buntem Puder und gefärbtem Wasser, wodurch schliesslich eine einheitlich schillernde "Farbmenge" von Tanzenden entsteht und soziale Gesellschaftsschichten kurzfristig aufgehoben werden.

Nach der Rückkehr in ihr New Yorker Studio hat die Künstlerin diese befreiende Kraft einer "befreiten" Farbigkeit über den Weg der Enkaustik-Malerei selbst erprobt. Die zu Grunde gelegte Komposition bei all diesen Arbeiten ist der Vierpass aus Kreisen, der in Ledgerwoods Werk seit Ende der 1990er leitmotivisch auftaucht. Indem er nun aber aus flüssigem Wachs gestaltet wird, dem die Künstlerin lose Pigmente beimischt, ist das endgültige Erscheinungsbild des Gemäldes bis zu einem gewissen Grad zufallsbestimmt. Die Künstlerin übergibt einen Teil der Kontrolle der Farbe selbst, die fixen geometrischen Grundformen werden aufgebrochen und in ein scheinbar stetes Fliessen überführt, das den Betrachter in seinen Sog mit hinzieht. Das Auge ist gebannt von der einzigartig intensiven Farbigkeit der Bilder und ihrer ausgeprägt physischen Struktur.

Das neueste Gemälde in der Ausstellung, "Aurem" (2013), ist wiederum in der Technik Öl auf Leinwand gestaltet, birgt aber eindeutig die Erfahrungen der Enkaustik-Werke in sich. Neu ist der Vierpass hier aus nahezu quadratischen Strukturen aufgebaut, was im Vergleich mit den so expressiv dynamischen Wachsbildern zunächst ungleich nüchtern und streng wirkt. In Verbindung mit einem äusserst pastosen, fast reliefhaften Farbauftrag und dem leuchtenden Goldgelb aber verliert der rechte Winkel seine Autorität, und im Bildzentrum birgt er einen Strudel von Buntheit, der die farblichen Eruptionen aus den Wachsbildern auf kleiner Fläche konzentriert.

Ledgerwood hat hier, wie zu den Anfängen ihrer Karriere, direkt mit den Fingern gemalt. Die physische Interaktion mit dem Bild, sowohl jene der Künstlerin wie auch jene des Publikums, ist bei Ledgerwood stets von grosser Bedeutung. Über das optische Ertasten ihrer Gemälde erlebt der Betrachter im Idealfall eine auch körperliche Bildwirkung, ein Prozess, der über den innigen Dialog mit der Farbe in Gang gesetzt wird – "Passing Through Color".

Passing Through Color
14. September bis 26. Oktober 2013