Pamela Rosenkranz - House of Meme

In ihren Werken, in denen sie so unterschiedliche Materialien einsetzt wie Licht, hormonaktives Plastik, Farbe, Polymere oder auch Gerüche, erörtert Pamela Rosenkranz die Wechselwirkung von Sinneseindruck und Empfindung. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse fließen in ihre Arbeiten ebenso ein wie kunsthistorische Bezüge oder Objekte der Alltagskultur.

Wie durchlässig sind wir, wie absorbierend? Pamela Rosenkranz begreift Menschen als Membranen. Für ihre Ausstellungen wählt sie eindringliche Mittel. Im Kunsthaus Bregenz antwortet sie auf dessen Architektur. Peter Zumthor, der Architekt des Kunsthaus Bregenz, sucht phänomenologische Wirkungen: Licht, Schall, Kühle, Empfindlichkeit und Befinden spielen eine bedeutsame Rolle. Pamela Rosenkranz hinterfragt die Vergewisserung des authentischen Erlebens. Reine Erfahrung gibt es ebenso wenig wie Immunität gegen unsichtbare Existenzen. Dies ist in Zeiten einer Pandemie nicht zu leugnen. Menschsein ist osmotisch und künstlich modelliert.

Wie gotische Fenster hängen Lichtquellen in den Räumen. An den Vorderseiten zeigen sie Farbflächen in intensivem Blau. Es sind keine Bilder im gewöhnlichen Sinn, eher Glasfenster aus gesättigtem Licht, die sich wie Sedimente in dem Raum aus Glas und Beton gebildet haben.

Bildschirme schimmern, geben Tiefe. Blau ist die Farbe der Kontemplation. Wir assoziieren Kühle, Grenzenlosigkeit, Sehnsucht. In vielen Religionen ist die Farbe Blau Symbol für Aufstieg und Erlösung. Doch Farben sind auch physikalische Ereignisse. Sie sind messbare Längen, die sich mit der Entwicklung des Sehsinns unter Wasser In prähistorischer Zeit verbinden. Rosenkranz betreibt Ästhetik als Grundlagenforschung des Sinnlichen. Damit steht sie den Experimenten der Spätimpressionisten näher als Yves Klein, der monochrom blaue Gemälde gemalt und die Farbe "verdinglicht" hat (Rosenkranz), als er sie patentieren ließ.

Was sind Farbe und Licht? Wie entstehen Gerüche und wie verhalten sich ihre Rezeptoren? Wie werden Schall und Vibrationen registriert? Und kann ein Gebäude nicht ähnlich einem Lebewesen Erfahrungen sammeln und bewahren, zum Beispiel Temperaturschwankungen, Feuchtigkeitsgrade, Erschütterungen? Akustische Schwingungen können sich verflüchtigen, aber nicht verschwinden. Ähnliches gilt für neurologische Durchdringungen und biochemische Substanzen, die nicht abbaubar sind. Menschen sind nicht länger souveräne, sondern synthetische Subjekte. Das Durchmengen von technischen und natürlichen Substanzen deutet Rosenkranz durch Situationen der Verunklärung an. Folien schimmern, Schallwellen vibrieren, Luftfeuchtigkeit wabert und ein archaischer Geruch, der künstlich hergestellt ist, durchzieht die Räume. Alles fließt, diese uralte philosophische Beobachtung gewinnt durch die Einwanderung des Künstlichen neue Aktualität.

Im obersten Geschoss befindet sich eine Schlange. Es ist eine computergesteuerte Maschine, die auf elektromagnetische Strahlung reagiert, sich seitlich windend fortbewegt, ihren Kopf hebt und die Umgebung observiert oder abwartend still am Boden ruht. Eine reflektierende Schuppenhaut überzieht das Geflecht aus Sensoren und Halbleitern. Der unhörbare Klang eines elektronischen Rauschens lädt das Objekt auf. Künstlerisch steht der "Snakebot" in der Tradition der kinetischen Skulptur, doch er basiert auf dem Versuch der Wissenschaften, Lebewesen durch Roboter und Organisches durch Algorithmen zu ersetzen. Obwohl Ihr Erscheinen künstlich und unnatürlich wirken könnte, erzeugt die Roboterschlangetief sitzende evolutionäre Gefühle. Unsere Augen haben sich auf die Erkennung von Schlangenmustern und -bewegungen spezialisiert. Anscheinend hat sich in der Evolution die menschliche Sehkraft stark verbessert. Was sehen wir, wenn wir eine Roboterschlange sehen? Gefahr, Schönheit oder Algorithmen?

In der Ausstellung löst sich die Trennung von Natur und Künstlichkeit auf. Sie wird zum animierten "Lebensraum" einer robotischen Kreatur, die von unseren Geräten mitgesteuert wird und alles verbindet. Ihre Wahrnehmung klingt vibrierend durch das ganze Gebäude. Die Signale unserer Mobiltelefone sind schon eingespeist, wenn wir sie antreffen. Die Bewegungen der Schlange in Bezug auf unseren Körper, die Betrachtung von Kunst oder Dargestelltem als ein dem Menschen tiefengeschichtlich innewohnendes Bedürfnis, das uns auch physisch ergreift, zieht sich durch die Ausstellung. Das Haus wird zum Organismus eines erweiterten biologischen Zusammenspiels.

Digitale Bilder, magisches Grün oder rosafarbene Schichtungen leuchten auf den Billboards an der Bregenzer Seestraße. Die Abbildungen findet Pamela Rosenkranz im Internet bei Stock Image Agenturen und versieht sie mit Mischungen aus schimmernden Materialien und Pigmenten in Komplementärfarben. Es entstehen Bilder, deren Farbintensität das ursprüngliche Motiv teilweise hervorhebt oder auch schützend verdeckt. Das Bild wird so als materielles Element entlarvt: Zwischen Verbergen und Zeigen wird es konserviert und den Elementen ausgesetzt. Es wird Teil eines biologischen Prozesses, in den auch die Kunst selbst eingebunden ist.

Die Billboards an der Bregenzer Seestraße, der meist frequentierten Straße der Stadt, sind fester Bestandteil im Programm des Kunsthaus Bregenz. Sie erweitern die jeweilige KUB Ausstellung In den öffentlichen Raum.

Pamela Rosenkranz (geboren 1979 in Uri, Schweiz) lebt und arbeitet in Zürich

Pamela Rosenkranz
House of Meme
17. April bis 4. Juli 2021