Oskar Schlemmer - Visionen einer neuen Welt

Die Große Landesausstellung 2014 "Oskar Schlemmer. Visionen einer neuen Welt" (21. November 2014 bis 6. April 2015) wird die erste umfassende Retrospektive des Künstlers seit fast vierzig Jahren sein. Ausgehend von den eigenen umfangreichen Beständen, nicht zuletzt auch den Dokumenten aus dem hauseigenen Schlemmer-Archiv, sowie prominenten Leihgaben aus Museums- und Privatbesitz erforscht die Staatsgalerie den hohen ethischen und künstlerischen Anspruch von Oskar Schlemmer (1888-1943).

Die Ambivalenz seiner Vision einer neuen Welt, die einerseits auf metaphysisch-religiöse Sphären ausgerichtet ist und andererseits auf die weltverändernde Kraft der Kunst setzt, wird ebenso in den Blick genommen wie die Auseinandersetzung mit den Reformbestrebungen seiner Zeit. Mit rund 250 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und den noch in der Staatsgalerie erhaltenen Originalkostümen des "Triadischen Balletts" ist die Werkschau chronologisch und thematisch in sechs Sektionen aufgebaut.

Schlemmers Frühwerk ist geprägt von seinem Studium an der Stuttgarter Akademie und der Auseinandersetzung mit der europäischen Avantgarde, deren Kenntnis durch einen Aufenthalt in Berlin 1911/12 und die Bekanntschaft mit Herwarth Waiden sowie Besuche in dessen Galerie "Der Sturm" gefördert wurde. Im Jahr 1921 wird Schlemmer an das Bauhaus in Weimar berufen, wo er als Formmeister für Steinbildhauerei und Wandmalerei ab 1923 auch für die Bühnenwerkstatt zuständig ist. Sein bedeutendstes Werk der Bühnenkunst, "Das Triadische Ballett", wird 1922 im Württembergischen Landestheater Stuttgart uraufgeführt und gilt als eine Inkunabel der Tanzkunst. Starre, den Körper zu marionettenhafter Bewegung zwingende Kostüme führen zur Konzeption eines von historischem Ballast befreiten Avantgardetanzes.

Im Zuge der Übersiedlung des Bauhauses 1925 nach Dessau erhält Schlemmer als Leiter der Bauhausbühne zahlreiche Aufträge für die szenische Gestaltung von Opern und Balletten. Überregionale Erfolge feiert er mit den "Bauhaustänzen", bei denen die Tänzer statt aufwändiger Kostüme Trikots und Masken tragen und elementare Körper-Raum-Beziehungen ausloten. Ab 1928 arbeitet Schlemmer an den Entwürfen für den Brunnenraum des Folkwang-Museums in Essen. Er konzentriert sich zunehmend auf die athletische Figur, die mit abstrakt-geometrischen Formen in Beziehung gesetzt wird. Die Entwurfsserien in Öl auf Leinwand sowie wandbildhohe Pastelle auf Transparentpapier aus der Sammlung der Staatsgalerie dokumentieren einzigartig Schlemmers größte Auftragsarbeit. Der ausgeführte Zyklus wurde 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Museum entfernt und gilt als verschollen.

Nach Schlemmers Wechsel 1929 an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau entstehen bedeutende Gemälde, die vielfigurige Menschenarchitekturen mit Anklängen an Sportveranstaltungen sowie komplex gestaffelte Geländerszenen zeigen. Die Schließung des Bauhauses in Dessau 1932 kommentiert der Künstler mit seinem programmatischen Bild "Bauhaustreppe" (heute Museum of Modern Art, New York). Als Schlemmer 1933 aus dem Lehramt entlassen und als entarteter Künstler gebrandmarkt wird, entstehen düstere Gemälde und - kurz vor seinem Tod "Fensterbilder", die das Leben der Anderen aus der Distanz des Außenstehenden beobachten. Mit kommerziellen Malerarbeiten bestreitet der Künstler nun seinen Lebensunterhalt, 1940 erhält er einen letzten Wandbildauftrag für ein Privathaus in Stuttgart.

Die Ausstellung würdigt die visionäre Leistung dieses Pioniers eines modernen, Technik und Kunst, Mensch und Zivilisation, Körper und Geist versöhnenden Weltverständnisses. Und auch die Tragik dieses Weltverständnisses, dem nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 Maß, Zahl und Gesetz kaum mehr als Bollwerk gegen den Totalitarismus dienen konnten.


Oskar Schlemmer - Visionen einer neuen Welt
Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2014
21. November 2014 bis 19. April 2015