Origen, das Kulturfestival in den Bergen, gastierte zu Allerseelen im eindrucksvollen Rittersaal des Bischöflichen Schlosses in Chur. Stimmungsvoll war auch das Dargebotene mit Raritäten des italienischen Barocks. Das Ensemble Vocal Origen unter der Leitung von Clau Scherrer mit den sechzehn Sängerinnen und Sängern, kleinem Streichorchester und Orgel ließen einen mystisch-sakralen Klangraum in diesem prächtigen Gemäuer entstehen.
Allerheiligen ist die besinnliche Zeit vom Abschiednehmen, und Giovanni Netzer, Intendant von Origen, der für immer außergewöhnlich hochkarätige Bühnenereignisse in kreativ abgestimmten Orten bekannt ist, will auch die Heiligen in das „Konzert zu Allerseelen“ einbeziehen. Ausgewählt wurden Crucifixus-Vertonungen von Antonio Lotti und Antonio Caldara, die Francesco Durantes (1684–1755) ergreifendes Requiem in c-Moll einrahmten.
Das Werk könne als das wichtigste Orchesterrequiem des frühen 18. Jahrhunderts angesehen werden. Die erst kürzlich in einer kritischen Erstausgabe veröffentlichte Partitur vereint kirchliche Tradition mit Opern- und Instrumentalstil zu einer gewaltigen Klangfülle. Durante komponierte nämlich keine Opern, obwohl dies im Neapel seiner Zeit die bekannteste und beliebteste Musikgattung war. Die Erstaufführung fand am 15. September 1746 in der Kirche San Giacomo degli Spagnoli an der Piazza Navona in Rom zu Ehren des verstorbenen Königs Philipp V. von Spanien statt, und Berichte über die außergewöhnliche Pracht dieses römischen Gottesdienstes sind überliefert. Und noch eine Anekdote aus Wikipedia am Rande: Aus seiner Lebensgeschichte ist bekannt, dass seine der Spielleidenschaft frönende Frau einmal sämtliche Manuskripte verkauft hatte und Durante alle seine Kompositionen aus dem Gedächtnis wieder zu Papier brachte. Heute wird sein Werk in 62 Bänden im Pariser Konservatorium verwahrt.
Dirigent Clau Scherrer erfüllt mit seinen Musikerinnen und Musikern alles an Klangwirkung, was über dieses Requiem für fünfstimmigen Chor, Ripienochor, Streicher und Basso continuo aus der Musikrezeption über das Werk zu erfahren ist, im höchsten Maße: „Der Wechsel zwischen Solochor und Ripienochor schafft Tiefe und Raum, der musikalische Dialog wirkt lebendig und dramatisch. Besonders im ‚dies irae‘ oder im ‚Libera me‘ entfaltet sich eine ergreifende Wucht“. Und weiter: „Durantes harmonische Wendungen sind überraschend modern: kühne Modulationen, plötzliche Lichtwechsel, schwebende Übergänge“. Die Zuhörenden werden allumfassend in den überirdischen Klangraum hineingenommen und tief berührt. Zum Schlussapplaus wird jede und jeder Einzelne als Solistin bzw. Solist vom Dirigenten vorgestellt, zurecht, Standing Ovation!