Olaf Metzel. Gegenwartsgesellschaft

Bereits beim Aufstellen mutiert die Folklore autonomer Kunst zum Ersatz für fehlende Inhalte. Neben den konventionellen Mitteln (Platzgestaltung, Kunst am Bau etc.) treten Techniken des Widerstandes, die darauf abzielen, das legitimationsbedürftige Herrschaftssystem an seiner einzigen schwachen Stelle zu treffen: Der entpolitisiert gehaltenen Öffentlichkeit.

Zum Glück gibt es noch Momente des Widerstands, die in Kunstwerken aufscheinen. Sie sind vielleicht seltener wahrzunehmen, weil sich in der Rezeption immer stärker eine Lesart durchsetzt, die Kritik als ästhetisches Kalkül re-interpretiert statt sie, wie im Falle Olaf Metzels, zunächst einmal als phänomenologische Realität ernst zu nehmen.

Wenn von der Verbindung der Kunst zum Leben die Rede ist, nehmen die wörtlich aus dem Leben gegriffenen Skulpturen und Installationen wie auch die ins Leben selbst eingreifenden Interventionen von Olaf Metzel einen besonderen Platz in der Kunstlandschaft Europas und weit darüber hinaus ein. Metallgerüste, Leitplanken, eine zerborstene Turnhalleneinrichtung, Sitzreihen aus einer Sporttribüne, Imbiss-Stehtische, Metallspinte, und andere vom Künstler eingesetzte, bisweilen brachial veränderte Gegenstände und Materialien nehmen den von den Avantgarden immer wieder postulierten Bezug der Kunst zum Alltag anscheinend wortwörtlich auf. Doch geht es Metzel nicht um eine neuerliche "Materialästhetik" und schon gar nicht um eine den Dingen innewohnende und zu entlockende "Poesie des Trivialen". Stattdessen zielt der in München lebende Bildhauer, Objektkünstler und Zeichner auf eine direkte Auseinandersetzung mit dem Betrachter und seinem sozialen, urbanen und gesellschaftspolitischen Umfeld.

Olaf Metzel stimmt mit Henri Lefebvres Idee überein, dass eine aufgeklärte Gesellschaft sowie der Zentralismus von Kapitalismus und Staat durch "local powers", wie klein sie auch immer sein mögen, herausgefordert werden kann. Metzel zeigt, dass kritische Kunst im öffentlichen Raum dazu beitragen kann, neue, radikalere Veränderung zu schaffen; und sie bietet eine Rückkehr zur Kunst nicht als Ästhetizismus, sondern als Auseinandersetzung mit Objekten, die uneingeschränkt jedem zur Verfügung stehen, nicht als Ware, sondern als gemeinsames Gut sozialer Erfahrung. Metzels kritische Praxis im öffentlichen Raum untersucht und kritisiert die Herrschaftsverhältnisse und die mit ihnen verknüpfte kapitalistische Produktion. Kunstproduktion – wie Olaf Metzel sie versteht –, betrachtet die Herrschaftsverhältnisse in den Formen der kulturellen Grammatik und formuliert Ansatzpunkte dafür, wie sie in Frage gestellt werden könnten.

Der Künstler stellt die Vorstellung in Frage, dass Autoritäten nur existieren, um ihnen gehorsam Folge zu leisten, und dass wir nur als effiziente Automaten im Warenkreislauf existieren. Bei Metzel finden Architektur und Urbanität ihre Aneignung in den Formen der Destruktion, der Parodie und der Verfremdung. Deshalb ist der Ärger auch vorprogrammiert, wenn Olaf Metzel irgendwo auftaucht. Es gibt keine Stadt in Deutschland, die nicht ihr Problem mit einer Metzel-Skulptur hat. Ob in München, Berlin, Stuttgart oder Bonn, Metzel lässt die Idee des Gegners für sich arbeiten. Seine Skulpturen reklamieren eine gesellschaftspolitische Bedeutung für die Kunst und schaffen ästhetische Situationen, die beängstigend nah an die Realität reichen. Metzels Interventionen geben Antworten, die keiner hören will, weil die Herrschaftsarchitektur nicht will, dass man ihr antwortet.

Die Arbeiten Olaf Metzels entstehen meist aus einem gewissen Aggressionsschub heraus, der sich vor allem mit der vielschichtigen Thematik der Gewalt in unserer Gesellschaft beschäftigt. Hieraus resultierend charakterisieren seine Skulpturen und Arbeiten für den öffentlichen Raum eine bisweilen harte Formensprache, denn er nutzt Materialien wie Schrott, Absperrgitter oder ausrangierte Stadionsitze. Sie thematisieren oft die Geschichte der Bundesrepublik und vor allem die Frage, wie demokratische Verhältnisse zu verteidigen oder einzuklagen sind, ohne dabei republikanischen Idealen zu widersprechen. Indem sie unangenehme Widersprüche aufdecken und dem Vergessen auf oft störende Weise entgegenarbeiten, rufen seine Werke immer wieder öffentliche Reaktionen hervor.

Einer der wichtigsten Aspekte in Metzels Arbeit ist die Tatsache, dass Aneignung sich von jener des Besitztums unterscheidet, indem sie eine aktive, bewegliche Mentalität anstrebt, die zu den spezifischen Bedürfnissen und Handlungen der Stadtbewohner in Beziehung steht. Metzel verweist auf die Wiederbelebung des Urbanen nicht als ein Produkt, sondern als Lebensweise. Und er zeigt, wofür Pflastersteine in der Stadt, und nicht am Strand, gut sind. Die Ausstellung im Kunstverein Hamburg versammelt ausschließlich Arbeiten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der deutschen Gegenwartsgeschichte auseinandersetzen. Neben zentralen Skulpturen wie "Wurfeisen und Zwille (Entwurf Hafenstraße)" (1990/91), "Idealmodell PK/90" (1978), "Noch Fragen?" (1998) oder "Deutsche Kiste" (1999) werden auch neue, ortspezifische Arbeiten präsentiert.

Seine Skulpturen thematisieren unterschwellige oder bewusst verdrängte Aspekte der deutschen Geschichte und besitzen sowohl ikonografische Relevanz als auch politische Brisanz im Sinne einer kritischen Aufarbeitung. Die vor Ort entstandenen Arbeiten, die sich direkt auf den Wänden oder dem Boden abzeichnen, zielen auf eine direkte Auseinandersetzung mit den BetrachterInnen und ihrem sozialen, urbanen und gesellschaftspolitischen Umfeld. Die Ausstellung schreibt sich förmlich in die Architektur ein und hinterlässt dadurch prägnante, teils dauerhafte Spuren.

Olaf Metzel. Gegenwartsgesellschaft
28. September 2013 bis 5. Januar 2014