22. September 2020 - 0:44 / Ausstellung / Sammlung 

Noch bis 31. Oktober zeigt die von Dieter Bogner kuratierte Hauptausstellung "o. T." Geometrien, Systeme und Konzepte aus sieben Jahrzehnten. Zu sehen ist eine Auswahl von malerischen, plastischen, kinetischen, digitalen bzw. akustischen Werken österreichischer Künstlerinnen und Künstler aus den Jahren 1950 bis 2020, die auf einem kompositorisch freien, gesetzmäßig strukturierten bzw. konzeptionell entwickelten Umgang mit elementaren Formen, klaren Farben und einfachen Gegenständen oder primären Materialien aufbauen.

Neben Werken aus der Sammlung Liaunig werden Leihgaben von Künstlerinnen und Künstlern, Museen und Privatsammlungen gezeigt, die einen umfassenden Einblick in die Vielzahl künstlerischer Konzepte im Bereich elementarer österreichischer Kunst gewähren, wie er bisher weder in der zeitlichen Dimension noch in derartiger medialer Vielfalt zu sehen war.

Was die Sammlung Liaunig – und damit auch die Ausstellung "o. T." – auszeichnet, ist die Zahl großer Skulpturen und Objekte, die aus allen Perioden stammen. Die durch alle Jahrzehnte mögliche Kombination von zwei- und dreidimensionalen Kunstwerken ist für das Verständnis des Kunstgeschehens von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart von großer Bedeutung. Dazu trägt auch die punktuelle Integration von oftmals viel zu wenig Berücksichtigung findenden analogen, digitalen und akustischen Werken bei.

Den Auftakt der Ausstellung macht ein programmatischer Einführungsbereich, der die für die damalige Zeit überraschende multidisziplinäre Bandbreite der Wiener Kunstszene der 1950er-Jahre vor Augen führt. Der erste Blick beim Betreten des Ausstellungsraums fällt nicht auf eine Auswahl geometrischer Bilder. Zu sehen sind vielmehr zwei auf Basis numerischer Gesetzmäßigkeiten hergestellte minimalistische Experimentalfilme von Marc Adrian und Kurt Kren. Diese lassen die Radikalität erkennen, mit der in der Aufbruchszeit des ersten Nachkriegsjahrzehnts die Reduktion der formalen Mittel unter Einsatz numerischer Ordnungsprinzipien künstlerisch verhandelt wurde. Mitte der 1950er-Jahre wurde in der vielfach verschränkten Wiener Kunstszene in allen Bereichen der Kunst – Malerei, Skulptur, Film, Fotografie, Text-, Objekt- und Tonkunst – mit elementaren, strukturellen und systematischen Gestaltungsverfahren experimentiert. Das grenzüberschreitende Denken und Gestalten der mit elementaren Mitteln arbeitenden Kunstszene – und das ist die Botschaft des Einführungsbereichs – hat als ein impulsgebender, wirkungsgeschichtlich bedeutender Faktor für die nachkommenden Generationen zu gelten.

Im Nordtrakt des Museums sind Werke ausgestellt, deren präzise formale und farbige Gestaltung auf im Voraus bestimmten Gesetzmäßigkeiten aufbaut, und solche, bei denen eine konzeptuelle Idee durch aussagekräftige Materialkombinationen veranschaulicht wird. Im Südtrakt liegt der Schwerpunkt weniger auf einem regelhaft geordneten als vielmehr auf einem prozesshaften Umgang mit Formen und Farben, der aber ab den 1980er-Jahren mehr und mehr mit konzeptionellen Fragestellungen verknüpft wird. Würde man – gedanklich – die Enden der beiden Trakte verschränken, ergäbe dies ein weit gespanntes Panorama zeitgenössischer elementarer und konzeptioneller Kunstformen.

Wie eine kleine "Sonderschau" präsentiert der dritte Raumbereich, das Grafikkabinett, eine konzentrierte Auswahl unterschiedlichster Phänomene textbasierter Gestaltungen, die die Bedeutung erkennen lassen, die bild-sprachlichen Kunstwerken von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart in der österreichischen Kunst zukommt.

Die Gliederung in drei von einem zentralen Einführungsraum ausgehende Bereiche ergibt sich aus der architektonischen Struktur des Gebäudes. Unschärfen und Überschneidungen zwischen den drei Bereichen werden bewusst in Kauf genommen, ja, sie sind sogar Teil des Konzepts. Zweifellos gibt es viele andere Möglichkeiten, die ausgewählten Werke in den Ausstellungsräumen anzuordnen. Deshalb bietet der die Ausstellung begleitende Katalog in Form eines Ausschneidebogens die Möglichkeit, ein individuelles Ausstellungskonzept zu entwickeln, das Ergebnis an das Museum Liaunig zu schicken und dadurch einen fruchtbaren Diskurs zu initiieren.

Die groß angelegte Schau mit dem Titel "o. T.", der impulsgebend für eine gesamtheitliche Neubetrachtung von sieben Jahrzehnten elementarer und konzeptueller Kunst in Österreich sein soll, präsentiert 147 Arbeiten von 76 Künstlerinnen und Künstlern. Gezeigt werden Werke von Marc Adrian, Josef Bauer, Hans Bischoffshausen, Anna-Maria Bogner, Hellmut Bruch, Friedrich Cerha, Waltraut Cooper, Josef Dabernig, Inge Dick, Heinrich Dunst, Manfred Erjautz, Wolfgang Ernst, Gottfried Fabian, Hans Florey, Gerhard Frömel, Johann Fruhmann, Heinz Gappmayr, Jakob Gasteiger, Tibor Gáyor, Roland Goeschl, Dorothee Golz, GRAF+ZYX, Hans Grosch, Karl Hikade, Kurt Ingerl, H+H Joos, Gerhard Kaiser, Walter Kaitna, Thomas Kaminsky, Michael Kienzer, Edgar Knoop, Peter Kogler, Willi Kopf, Kurt Kren, Eric Kressnig, Richard Kriesche, Hans Kupelwieser, Maria Lassnig, Bernhard Leitner, František Lesák, Helmut Mark, Dóra Maurer, János Megyik, Josef Mikl, Melitta Moschik, Gerhardt Moswitzer, Walter Obholzer, Hermann J. Painitz, Florentina Pakosta, Fritz Panzer, Ferdinand Penker, Hubert Pfaffenbichler, Helga Philipp, Franz Pichler, Josef Pillhofer, Markus Prachensky, Karl Prantl, Oskar Putz, Arnulf Rainer, Gerwald Rockenschaub, Georg Salner, Peter Sandbichler, Eva Schlegel, Günther Selichar, Rudi Stanzel, Oswald Stimm, Esther Stocker, Erwin Thorn, Jorrit Tornquist, Markus Wilfling, Fritz Wotruba, Heimo Zobernig und Leo Zogmayer.

"o. T."
Kurator: Dieter Bogner
20. Mai bis 31. Oktober 2020 ∙ Mi bis So von 10 bis 18 Uhr



Gerwald Rockenschaub, Heinrich Dunst, Hans Grosch © Museum Liaunig / die Künstler
Gerwald Rockenschaub, Heinrich Dunst, Hans Grosch © Museum Liaunig / die Künstler
Hans Florey, Waltraut Cooper, János Megyik, Josef Bauer, Peter Kogler, Wolfgang Ernst © Museum Liaunig / die Künstler
Hans Florey, Waltraut Cooper, János Megyik, Josef Bauer, Peter Kogler, Wolfgang Ernst © Museum Liaunig / die Künstler
Gerhard Frömel, Hellmut Bruch, Hans Grosch, Bernhard Leitner, Peter Kogler © Museum Liaunig / die Künstler
Gerhard Frömel, Hellmut Bruch, Hans Grosch, Bernhard Leitner, Peter Kogler © Museum Liaunig / die Künstler
Josef Pillhofer © Museum Liaunig / die Künstler
Josef Pillhofer © Museum Liaunig / die Künstler