Oh, wie so trügerisch?
Wer die Bregenzer Festspiele besuchen und die Inszenierung auf der Seebühne erleben möchte, tut gut daran, seine Erwartungen zu überdenken und anzupassen. Ich liebe Opernbesuche. Nicht nur der Musik wegen. Ich liebe die Atmosphäre der Opernhäuser, die Menschen, die sich dem Anlass entsprechend kleiden und benehmen. Für mich hat dies mit Respekt und Anstand zu tun. Opernbesuche sind für mich etwas sehr Besonderes und Bedeutungsvolles. Es käme dem Sündigen gleich, diesen Ereignissen eine Alltäglichkeit zu verleihen.
Mit dieser Einstellung machte sich also Frau Schmitt auf den Weg die diesjährige Operninszenierung der Bregenzer Festspiele auf der Seebühne anzusehen?! Ja, denn ich habe mich darauf vorbereitet. Habe mir Videoaufnahmen vorheriger Seebühnen-Opern angeschaut und die Informationen der Bregenzer Festspielleitung mit Interesse gelesen.
Der offizielle Trailer der Bregenzer Festspiele:
Ich war also bestens vorbereitet. Vorbereitet auf ein „touristisches“ Festival mit locker daherkommenden Besuchern, denen jede Menge Krims und Krams dar- und angeboten wird. War vorbereitet auf Menschengewühle und Trubel, auf opernliebhabende Touristen.
Doch trotz oder meiner besonders intensiven Vorbereitungen trotzend, blieb eine Menge Raum für Überraschendes.
Die etwa 7000 Besucher wurden vom Veranstalter geschickt geleitet. Es gab kein Gedränge. Statt Krims gab es ein köstliches Glas Sekt und als Krams kann man die informativen Festspielbroschüren- und Programmhefte sicherlich nicht bezeichnen.
Rigoletto ist die fünfte Verdi-Oper, die seit dem Beginn der Bregenzer Festspiele im Jahre 1946, auf der Seebühne gezeigt wird.
Die Seebühne ist ein handwerkliches und technisches Meisterwerk, das sich erfreulicherweise auch außerhalb der Vorstellungen den Interessierten nicht verschließt und staunend angesehen werden kann. Erläuterungen und Informationen über z.B. die Bauzeit, die Beleuchtung, die Tontechnik, den Kopf und den Kragen werden den Besuchern auf bebilderten Tafeln angeboten.
Sie merken bereits an meiner Berichterstattung, dass sowohl die Technik als auch das Drumherum beinahe oder vielleicht sogar mehr Raum beanspruchen, als die Musik. Auch das ist eine der Besonderheiten der Opern auf der Seebühne.
Was meinen Eindruck von der Oper, der Inszenierung, der Musik betrifft, so bin ich hin- und hergerissen zwischen fantastisch bis allzu derb. Der Hof wurde zum Zirkus, infolgedessen war Rigoletto ein Clown statt ein Hofnarr. Ich war gefesselt von dieser modernen Inszenierung, keine Frage! Geschuldet war diese Fesselung dem Film (!)- Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl und seinem Team. Da stellte sich mir schon mal die Frage: bin ich im Cirque du Soleil, im Film oder erlebe ich grade eine Oper? Ich gestehe: ich fand es beeindruckend, dieses Spektakel! Obschon das Specktakel [sic!] zu der wundervollen Arie „Oh, wie so trügerisch“ mir doch allzu derb und ordinär war. Ebenso wie die im See kugelnden Augäpfel.
Sowohl die Darsteller als auch das Publikum sollten schwindelfrei und bereit sein, in diese Inszenierung einzutauchen. Manche Künstler hatten dies gar wörtlich zu nehmen, mussten sie doch kurzerhand ab und eintauchen, in den erfrischenden Bodensee. Die musikalischen Leistungen waren trotz aller akrobatischen Einlagen hervorragend und ich zolle allen Mitwirkenden großen Respekt!
Zutiefst bedauerte ich die räumliche Abwesenheit der Wiener Symphoniker, die im Festspielhaus untergebracht waren. Die Künstler hatten lediglich die Möglichkeit, mit dem Dirigenten, bzw. dem Orchester über Monitore in Verbindung zu treten. Eine sehr beachtenswerte Leistung, doch mir fehlte die Präsenz des Orchesters enorm. Die beiden, vergleichsweise kleinen Monitore rechts und links von der Bühne, waren keine Alternative und zeigten nur sehr kleine Ausschnitte der Orchesterarbeit. Meine Erwartung, das Orchester zum Schlussapplaus auf der Bühne begrüßen zu dürfen, erfüllte sich nicht.
Sie haben die Möglichkeit und die Chance den Rigoletto im kommenden Jahr auf der Seebühne zu erleben. Zur Vorbereitung und Einstimmung lege ich Ihnen die vor einer Woche erschienene Aufnahme ans Herz (als DVD und Blu-ray erhältlich):
Darsteller: Stephen Costello, Vladimir Stoyanov, Mélissa Petit, Miklós Sebestyén, Katrin Wundsam
Regisseur(e): Philipp Stölzl
Format: Klassisch, NTSC, Breitbild
Studio: C Major
Erscheinungstermin: 16. August 2019
Spieldauer: 149 Minuten
Werde ich wieder bei den Bregenzer Festspielen zu Gast sein? Ja, auf jeden Fall! Land und Leute haben mich fasziniert. Wie sehr, darüber berichte ich ausführlich in meinem Reiseblog:
https://www.rosemarieschmitt.de/2019/08/04/musikalische-reisen
Diese Festspiele sind mehr als die Oper auf der Seebühne! Tatsächliche Perlen verstecken sich ... Zum Beispiel im Festspielhaus, dem Theater am Kornmarkt, der Werkstattbühne, dem Opernstudio ...
Über meine Don Quichotte – Erfahrung, und ob es wohl eine Perle oder eine hohle Nuss gewesen sein mag, darüber berichte ich am kommenden Mittwoch.
Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt
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