Oh Girl, It's a Boy!

Die Schau "Oh Girl, It’s a Boy!" spielt mit dem Titel der 1994 im Kunstverein München präsentierten Ausstellung "Oh Boy, It"s a Girl!" Diese zählte zu den Wegbereitern der damals in neuer Form aufkommenden Debatte um Geschlechterpolitiken in der zeitgenössischen Kunst. Ihr Verdienst war zum einen das exemplarische Aufzeigen historischer Feminismen und ihrer Traditionen in der Kunst der 60er und 70er Jahre, zum anderen aber auch der Import aktueller anglo-amerikanischer Gender-Theorien sowie entsprechend orientierter künstlerischer Praktiken, die zu diesem Zeitpunkt im deutschsprachigen Raum kaum bekannt waren.

"Oh Boy, It"s a Girl!" erweiterte so den im engeren Sinne feministischen Rahmen der Kritik gesellschaftlicher Geschlechterhierarchien und -repräsentationen um eine allgemeine Perspektive auf die performative "Natur" von sexualisierten Identitäten und gesellschaftlichen Normen. Es ging hier mit anderen Worten nicht nur um "Feminismen in der Kunst", sondern auch um einen "Feminismus ohne Frauen" (Leo Bersani), der in Form von Geschlechter-Travestien, Gay Politics und der Dekonstruktion normativer Strukturen des Begehrens in der Ausstellung zum Tragen kam.

Fast fünfzehn Jahre später wird die Ausstellung "Oh Girl, It"s a Boy!" im Horizont einer auch repräsentationspolitisch veränderten Gegenwart die zentralen Aspekte der damals zugrunde liegenden Debatten um "Gender Politics" und "Gender Studies" einer kritischen Revision unterziehen, ihre Aktualität befragen und entsprechend überdenken.

Zentral für die Wiederaufnahme der Diskussion in "Oh Girl, It"s a Boy!" wird vor allem der Widerstreit zwischen dem Kampf um Anerkennung und Integration auf der einen, und der Aufrechterhaltung "identitärer Differenz" auf der anderen Seite sein. Diese politische Problematik spiegelt sich auch in der Frage nach ästhetischen Rhetoriken ihrer Thematisierung. Hat der erfolgreiche Kampf um Anerkennung und Integration den Wert der Differenz verdrängt? Oder ist die Kategorie der Abweichung als politisches Instrument obsolet geworden, nicht zuletzt weil sie sich als unabdingbares Marketing-Tool der heutigen Lifestyle-Ökonomien herausgestellt hat? Welchen politischen Wert könnte dann ein neuer Begriff von "Queerness" als "politische Metapher ohne stabilen Referenten" (David L. Eng) haben?

Die Ausstellung "Oh Girl, It"s a Boy!" versucht hier zwischen Errungenem und Verlorenem zu problematisieren und zu polemisieren: Wie lässt sich Differenz artikulieren, wenn der Ort, von dem aus sie praktiziert werden könnte, längst im gesellschaftlichen Mainstream aufgegangen ist? In welcher Weise ließe sich ein solcher Ort unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen neu vorstellen? Welche Formen und Inhalte könnten also heute als Ausdruck eines inkommensurablen Begehrens den allgegenwärtigen Integrationsdynamiken widerstehen?

"Oh Girl, It"s a Boy!" wird sich im Spannungsgefüge zwischen Opazität und Transparenz, Verweigerung und Vermittlung, dem Ringen um Differenz und dem Kampf um Anerkennung bewegen, um so die Frage nach aktuellen Verschiebungen und Neupositionierungen der Geschlechterpolitiken zu stellen.

KünstlerInnen:
Kaucyila Brooke, Tom Burr, William S. Burroughs, John Cage, Cerith Wyn Evans, Charles Henri Ford, Antonello Faretta/John Giorno, Brion Gysin, Richard Hawkins, Homotopia, Ray Johnson, Zoe Leonard, Simon Leung, Renate Lorenz & Pauline Boudry, Dorit Margreiter, Ariane Müller, Henrik Olesen, Stephen Prina, Danh Vo, Jean-Michel Wicker, Stephen Willats, Akram Zaatari, basso, Clit, Dyke Action Machine, pablo internacional, Straight to Hell.


Oh Girl, It"s a Boy
12. Januar bis 10. Februar 2008