Offene Systeme

Die Münchner Künstlerin Dorothea Reese-Heim verzaubert den Betrachter mit Arbeiten aus Papier, Kunststoff, Metall und Textilien. Immer wieder erprobt sie neue Werkstoffe, aus denen sie fragile Gebilde schafft – leicht und schwebend, wirken manche wie fremdartige, in schillernden Farben phosphoreszierende Wesen aus der Tiefsee. Die Künstlerin verspannt ihre Arbeiten mit dem Raum, vernetzt ihn, durchzieht ihn mit skelettartigen Strukturen, mit Adern und Kanälen.

Der Titel der Ausstellung, "Offene Systeme", betont die Spannung, mit der sich die Arbeiten zum einen als eigenständige Raumkörper behaupten, sich jedoch zugleich dem Betrachter öffnen und ihn in ihren ganz eigenen Bann ziehen. Die Werke, die dem Titel der Ausstellung Rechnung tragen und ihm zugleich diametral entgegenstehen, sind die "Geschlossenen Systeme", die zur Serie der Raumzeichnungen gehören. Diese faszinierenden Werke sind nicht etwa - wie es seit Jahrtausenden in der Kunst Tradition ist - aus einem Stück Holz geschnitzt, aus Marmor geschlagen, in Gips geformt oder in Bronze gegossen, sondern bestehen aus leerem Raum. Genau diese Leere macht die Künstlerin sichtbar, formt und zelebriert sie geradezu, indem sie sie mit Metallringen oder Glasfaserstäben, aber auch mit dem edlen Papier des Maulbeerbaumes umspannt, so dass gitterartige, transparente Strukturen entstehen. Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet Reese-Heim mit techtextilen Materialien und entdeckt immer wieder neue Gewebe und industriell hergestellte Stofflichkeiten für sich und schafft daraus fragile Gebilde mit bizarren Formen, die durch ihre Grazilität und anmutende Leichtigkeit bestechen.

Ein weiterer wichtiger Komplex im umfangreichen Oeuvre von Reese-Heim sind die Arbeiten aus Papier. Seit 1981 setzt sich die Künstlerin mit diesem Werkstoff auseinander, entwickelte einen ganz persönlichen Umgang zu diesem uralten Material, dessen Möglichkeiten sie immer wieder auslotet. Zwar benutzt sie auch industriell hergestelltes Papier für ihre Zeichnungen, die einen Ausgleich zu ihrem skulpturalen Schaffen bilden, doch ist es vor allem die Herstellung selbst, die sie fasziniert. Aus der Masse modelliert sie Papierreliefs und hinterlässt dabei ihre Spuren, manipuliert und mischt sich in die Form der Papiermasse ein. Die daraus entstandenen Werke hat sie mit dem Titel "Verlorene Landschaften" versehen, denn wie Impressionen einer atmosphärischen Landschaft muten die aus mehreren Tafeln bestehenden Wandreliefs an.

Dorothea Reese-Heim, die im April letzten Jahres als erste Frau zur Präsidentin der Münchner Secession gewählt wurde, zeigt ihr Werk lieber, als dass sie darüber redet. Der Betrachter muss sich auf die exotisch wirkenden, teils rätselhaften Objekte selbst einlassen, um den Dialog des Objekts mit dem Raum, die verschiedenen Vernetzungen, die Variationen der Muster und Linienüberschneidungen zu entdecken. Der hohe und weite Kirchnerraum der Kunsthalle Jesuitenkirche bietet den Installationen, Objekten und Zeichnungen von Dorothea Reese-Heim dabei ein eindrucksvolles Umfeld, welches sie in ihrer Inszenierung noch steigert.

Offene Systeme
Installationen, Objekte, Zeichnungen
28. Mai bis 25. September 2011