Nonnen - Starke Frauen im Mittelalter
Das Mittelalter war eine raue Zeit. Besonders für Frauen und ihre Perspektiven. Das Leben in einem Kloster war da ein willkommener Ausweg, der nicht nur mehr Freiheiten, sondern auch Bildung, Einfluss und zuweilen Macht möglich machte.
Nonnen im Mittelalter, da stellt man sich in der Regel asketisch lebende Frauen vor, die sich nur für eine abgeschirmte Welt innerhalb der eigenen Klostermauern interessierten. Doch es gab noch eine andere Wirklichkeit, die vielfältiger, überraschender und weltlicher war, als man vermuten würde. Ab dem fünften Jahrhundert entstanden in Europa erste Nonnenklöster. Sie boten Frauen Möglichkeiten, die sie sonst kaum hatten: Zugang zu höherer Bildung, eine soziale Absicherung und die Chance, sich engen familiären Normen zu entziehen. Nicht selten war dieser Entscheid auch mit einem Aufstieg innerhalb der Klostergemeinschaft verbunden. Das höchste Amt war jenes der Äbtissin, Priorin oder Meisterin. Die Führung eines Klosters war anspruchsvoll, verlangte diplomatisches Geschick und eine hohe Bildung. Religiöse Zentren hatten oft enge Verbindungen zu Politik und Wirtschaft und prägten das weltliche Geschehen mit.
Beispiele hierfür sind etwa Katharina von Siena (1347 – 1380), die ihre eigene Hochzeit erfolgreich verhinderte, in einen Laienorden eintrat, zur Inspirationsquelle für eine wachsende Anhängerschaft wurde und in kirchenpolitischen Fragen gegenüber Päpsten schliesslich eine bedeutende Stimme war. Oder Pétronille de Chemillé (1080/90 – 1149), Äbtissin des Klosters von Fontevraud. Sie setzte sich in einer männlich dominierten Welt durch – gegen massive politische Widerstände gelang es ihr, den jungen, aufstrebenden Orden zu festigen. Unter Pétronilles Führung gewann Fontevraud an politischem und wirtschaftlichem Einfluss und wurde zu einem strategisch bedeutenden Ort für die Mächtigen Frankreichs. Dem Orden gehörten sowohl Frauen als auch Männer an, welche alle der Autorität der Äbtissin unterstanden. Ebenfalls erwähnenswert ist die imposante Stellung der Fürstäbtissin der Fraumünsterabtei in Zürich. Im 13. Jahrhundert war sie Stadtherrin, ernannte Bürgermeister und Richter und hatte das Sitz- und Stimmrecht im Reichstag der Fürstenversammlung des Heiligen Römischen Reichs.
Anhand von 15 Repräsentantinnen und wertvollen Exponaten unter anderem aus der Bibliothek des Vatikans oder dem Germanischen Nationalmuseum zeigt die Ausstellung, wie unterschiedlich die Lebensformen geistlicher Frauen im Mittelalter waren und welche Möglichkeiten ihnen offenstanden. Die Schau thematisiert die wichtige Stellung der Frauenklöster in Bildungsfragen, ihre Verflechtungen mit Politik und Wirtschaft sowie der bis heute oftmals unterschätzte prägende Einfluss dieser Frauen auf die Theologie.
15 Starke Frauen
Pétronille de Chemillé (1080/90 – 1149)
Die erste Äbtissin von Fontevraud führte die Gemeinschaft von 1115 bis 1149. In dieser Zeit wurde Pétronille de Chemillé zu einer mächtigen Frau in Frankreich und vergrösserte Fontevraud um fast 50 Klöster. Als Leiterin waren ihr auch Männer unterstellt, was in dieser Zeit nicht selbstverständlich war.
Herrad von Landsberg (1125/30 – 1195)
Die Vorsteherin des Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg gehört zu den intellektuellsten Frauen des Mittelalters. Sie war Mitverfasserin des "Hortus Deliciarum", einem Regelwerk für Nonnen. Es ist die erste, nachweislich von einer Frau verfasste Enzyklopädie.
Hildegard von Bingen (1098 – 1179)
Sie war eine Universalgelehrte mit einer Spezialbegabung. Neben ihrem grossen Wissen in medizinischen und biologischen Fragen hatte Hildegard von Bingen bereits früh Visionen. Ihre Gabe als Seherin wurde von der Kirche anerkannt. Bis heute gilt sie als Mystikerin und Heilige.
Elisabeth von Wetzikon (1235 – 1298)
Die Äbtissin des Fraumünsters Zürich gehörte zu den mächtigsten Frauen ihrer Zeit. Als Stadtherrin und Reichsfürstin war sie auch ausserhalb der kirchlichen Kreise sehr einflussreich, empfing den König und seine Gesandtschaft und beeinflusste das Wirtschaftsleben. Unter ihrer Führung stand das Kloster auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Klara von Assisi (1193/94 – 1253)
Die Vorsteherin des Klosters San Damiano lebte freiwillig in Armut. Als Mädchen hatte sie ihre adlige Familie verlassen und war heimlich dem Orden des heiligen Franziskus beigetreten. Zwei Jahre nach ihrem Tod wurde sie vom Papst heiliggesprochen. Damit war sie die einzige Frau zwischen 1200 und 1400, welcher diese Ehre zuteilwurde.
Guta von Bachenstein (keine Lebensdaten bekannt)
Ihre genauen Lebensdaten sind nicht bekannt, gesichert ist jedoch die Information, dass Guta von Bachenstein zwischen 1318 und 1324 Äbtissin des Frauenklosters Königfelden war. In dieser Funktion war sie nicht nur für einen reibungslosen Alltag zuständig, sondern auch für die Finanzen der Institution. Sie war sozusagen die Geschäftsführerin des Klosters. Das Sagen hatte allerdings Königin Agnes von Ungarn.
Elsbeth von Oye (um 1280 – um 1350)
Mit den zahlreichen Qualen, die sie sich seit jungen Jahren selbst zufügte, wollte Elsbeth von Oye mit Jesus mitleiden und ihm damit möglichst nahekommen. In tagebuchartigen Texten beschrieb sie dieses Leiden für Christus und erwähnte auch ihre Begegnungen mit Gott.
Elsbeth Stagel (um 1300 – 1360)
Viele Frauenklöster hatten eine Schreibstube, in welcher die Nonnen Bücher kopiert und verfasst haben. Ein gutes Beispiel für diese Tätigkeit ist Elsbeth Stagel, die bereits in jungen Jahren ins Kloster Töss eingetreten war. Dort wurde sie Mitverfasserin des Schwesternbuchs, das anderen Ordensfrauen den Weg zu Gott erläuterte.
Adelheid Pfefferhart (1319 – 1382)
Schon als Kind wollte Adelheid Pfefferhart ins Kloster. Ihr Wunsch ging aber erst mit dem Tod des Vaters in Erfüllung, denn die Eltern waren gegen ein Leben als Nonne. Im Kloster Katharinental erlebte Adelheid ein Gnadenerlebnis. Mitschwestern beobachteten, wie sie vor einer ChristusSkulptur erleuchtet wurde und über dem Boden schwebte.
Margaretha von Werikon (gest. 1349)
Im 14. Jahrhundert wütete die Pest in der Schweiz. Die Krankheit machte auch vor Klostermauern nicht Halt und so starben viele Nonnen. Eine davon war Margaretha von Werikon, Meisterin des Kosters Engelberg. Ihr Tod 1349 ging in die Annalen des Klosters ein. Doch sie war nicht das einzige Opfer. Innerhalb von nur vier Monaten starben in Engelberg 116 Schwestern.
Katharina von Siena (1347 – 1380)
Als ihre Mutter sie verheiraten wollte, schnitt sich Katharina von Siena die Haare ab, um nicht mehr attraktiv zu sein. Sie wollte nur eins: Ein zurückgezogenes Leben in der Askese verbringen. Das gelang ihr nicht, denn obwohl sie die Hochzeit verhindern konnte und 1363 in einen Laienorden aufgenommen wurde, inspirierte sie eine wachsende Anhängerschaft. Später traf sie sich mit Päpsten, setzte sich für Reformen ein und redete in kirchenpolitischen Fragen mit.
Agnes Trüllerey (keine Lebensdaten bekannt)
Die Meisterin des Klosters Hermetschwil war eine politisch gewiefte Taktikerin. Unter ihrer Führung 1429 bis 1460 verbesserte sich die wirtschaftliche und rechtliche Situation des Klosters erheblich. Dafür war Agnes Trüllerey auch bereit, sich mit mächtigen Gegenspielern anzulegen. Etwa mit dem Kloster Muri, dem Hermetschwil eigentlich unterstellt war, oder mit der Eidgenossenschaft. Daneben förderte die Meisterin die Schreibtätigkeit und Bibliothek des Klosters.
Angela Varnbühler (1441 – 1509)
Unter Angela Varnbühler wurden die Gepflogenheiten im Kloster St. Katharina in St. Gallen ab Herbst 1482 strenger. Nonnen durften das Kloster nicht mehr verlassen und hatten nur noch über ein Redefenster Kontakt zur Aussenwelt. Die Anpassung der Regeln war auch eine Reaktion auf die von vielen kirchlichen Würdenträgern geforderten Reformen in Klöstern. Angela Varnbühler stand in regem brieflichen Kontakt mit dem für Reformanliegen führenden Kloster St. Katharina in Nürnberg.
Margret Zschampi (1470 – 1525)
Bereits als Kind ging Margret Zschampi ins Kloster Klingental. Doch ihr Aufenthalt war kurz. Im Alter von zehn Jahren verliess sie es aus Protest gegen geplante Reformen gemeinsam mit anderen Schwestern wieder. Nachdem die Reformnonnen vertrieben worden waren, kehrten sie ins Kloster zurück.
Katharina von Zimmern (1478 – 1547)
Die letzte Fraumünster-Äbtissin sah sich mit der Reformation konfrontiert. Zwar war sie gegenüber den neuen Ideen offen, trotzdem musste Katharina von Zimmern das Kloster 1524 der Stadt Zürich übergeben. Im Gegenzug erhielt sie eine ausgesprochen grosszügige Abfindung und das Zürcher Bürgerrecht. Später heiratete Katharina einen Söldnerführer und wurde Mutter. Erst kürzlich stiessen Historikerinnen auf Quellen, die beweisen, dass Katharina schon während ihrer Amtszeit eine Tochter geboren hat. Der Vater des Kindes ist unbekannt.
Abgerundet wird die Ausstellung mit einer Installation von Annelies Štrba. Der Videokünstler Jürg Egli hat ihre Fotografien von Kirchenfenstern, Marienfiguren und prächtigen Gärten zu einem neuen Werk verschmolzen, welches das Weibliche ins Zentrum setzt.
Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter
20. März bis 16. August 2020
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