No-Go-Area Italien

2. Juni 2008 Kurt Bracharz
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Die bestsellernde Kriminalautorin Donna Leon schrieb neulich am Schluss ihrer SZ-Kolumne: "Was bleibt? (...) Das Kulturerbe Europas bleibt erhalten, die Leute kleiden sich mit Geschmack, das Leben geht weiter. Doch das hier ist kein Ort für Glücksgefühle mehr. Das ist ein Land, in dem der Optimismus eingestampft wurde. Sie suchen das Glück? Gehen Sie nach Spanien."

Das formulierte sie nach dem Wahlsieg der Rechten in ihrem Gastland Italien, für den sie ein eindrückliches Bild fand: "Die ehemaligen Faschisten fanden offenbar in Herrn Berlusconis Partei ein Auffangbecken; ungefähr so, wie eine kleine Amöbe von einer größeren geschluckt wird."

Warum nennt man die italienischen Faschisten eigentlich immer "postfaschistisch" oder "ehemalig"? Nur, weil sie sich selber von Zeit zu Zeit ein neues Etikett verpassen und jetzt halt "Alleanza Nazionale" statt "Movimento Sociale Italiano" oder "La Destra" usw. heißen? Während sonst die Bedeutung des Wortes "Faschismus" auf alles Mögliche ausgedehnt worden ist, wäre es ja wohl nirgendwo angebrachter als bei Mussolinis Erben, die jetzt ihr "Siamo tornati" auf alle Mauern schmieren.

Der Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, war in seiner Jugend ein notorischer squadrista (die Entsprechung zum historischen SA-Schläger) und später Nationalsekretär des MSI und Schwiegersohn des Altfaschisten und "Fiamma tricolore"-Gründers Pino Rauti. Die gegenwärtigen Pogrome gegen Zigeuner in Neapel hatten ihre Vorläufer in Rom.

Berlusconi, der immer noch zur Steuerhinterziehung aufruft, ist weder ein Faschist noch ein Mafioso – er unterhält nur sehr gute Beziehungen zu diesen beiden Italien regierenden Organisationen. Das greise Model der plastischen Chirurgie macht nicht mehr so den Clown wie in seiner ersten Amtszeit, in der er ernsthaft erklärte, von allen Mitgliedern seiner Regierung den längsten Pimmel zu besitzen, und er scheitert jetzt schon in den ersten Tagen an den Giftmüllgeschäften der Camorra – aber das ist in Italien business as usual.