Mit einer dichten Bildsprache, die digitale Ästhetik, popkulturelle Referenzen und mythologische Motive miteinander verschränkt, entwirft sie eine digitale, animistische Kosmologie – eine Welt zwischen Traum, Technologie und Realität.
In der Ausstellung „Simulacra” beschäftigt sie sich mit den verschwimmenden Grenzen zwischen dem Realen und dem Imaginären, dem Virtuellen und dem Nicht-Virtuellen sowie dem Organischen und dem Maschinellen.
Als Ausgangspunkt für „Simulacra“ schöpft Kupyrova aus einem über Jahre gewachsenen persönlichen digitalen Archiv: JPEGs, PNGs und Screenshots bilden das Rohmaterial für eine Reflexion über Wirklichkeit und Illusion. Dabei dient das Internet als kollektiver Speicher für Bilder, Emotionen und kulturelle Codes.
Ein zentrales Werk der Ausstellung sind vier großformatige Bildtafeln, auf denen weiße Hunde erscheinen – Motive, die ursprünglich online zirkulierten. Ihre kryptischen Werktitel wie „C696879b62f37ed3d7f7d0204c0d49b8.jpg” verweisen auf den ursprünglichen Dateinamen des Downloads.
In Zusammenarbeit mit ihrer Mutter, der klassisch ausgebildeten Malerin Irina Kupyrova, transformiert Nika Kupyrova diese digitalen Bilddateien in vielschichtige, haptisch erfahrbare Kunstwerke. Auf bemalten Holzpaneelen verschmelzen Hunde-Porträts mit Collagen aus Muscheln, selbstklebenden Wackelaugen und surrealen Objekten wie dem Abguss einer Schuhlöffelhand.
Diese Assemblagen greifen ironisch auf Bildwelten des Naturalismus und des Horrorgenres zurück. Die weißen Hunde erscheinen als Marker eines veränderten Bewusstseinszustands, ähnlich dem Übergang zwischen Schlaf und Wachsein oder zwischen Realität und Simulation. In dieser Schwellenwelt lösen sich die Grenzen zwischen Organischem und Künstlichem auf.
Auch die Metallskulptur „Alectrona”, ein stilisiertes Auge, steht sinnbildlich für das Erwachen aus einem Halbschlaf und spielt damit auf die gleichnamige griechische Göttin der Morgenröte an. Die daneben positionierte Wandtapete mit Sonnenuntergang stellt einen weiteren Übergangszustand dar: zwischen Tag und Nacht, Realität und Imagination. Die Tapete verdichtet sich atmosphärisch zu einer »Bildercloud«. Dabei übersetzt Kupyrova ursprünglich digitale Bilder – sogenannte arme Bilder, also Bilder in schlechter Auflösung oder niedriger Qualität, wie sie typischerweise im Internet kursieren – in eine pseudo-analoge Ästhetik im Stil des schwarz-weißen Siebdrucks.
Die titelgebende Videoarbeit „Simulacra“ vereint viele dieser Themen. In einer dystopisch-fantastischen Szenerie begegnen sich die animierten Avatare Eidolon und Orphe, hybride Wesen zwischen Mythos, Code und Körper. Das Sounddesign der Musikerin Ai fen erzeugt eine unheimliche Klangkulisse, welche die Vorstellung eines animistischen, fühlenden digitalen Raums verstärkt.
Mit „Simulacra“ lädt das Lentos Kunstmuseum zu einer Expedition in ein komplexes Referenzsystem ein – von antiken Mythen über Internetmemes bis hin zur posthumanistischen Theorie. Die Grenzen zwischen dem, was wir als real oder fiktiv wahrnehmen, verschieben sich dabei ständig – ein Phänomen, das sich aktuell besonders an durch Deep-Learning-Modelle generierten Bildern zeigt.
„Kupyrova verweigert sich bewusst dem Einsatz KI-generierter Bilder und setzt stattdessen auf eine haptisch erfahrbare Ästhetik. In einer Welt, in der visuelle Reize inflationär sind, fragt die Künstlerin nach dem Status des Originals, nach Wahrnehmung und Bedeutung in einer von Simulation durchdrungenen Gegenwart“, erklärt Lentos-Direktorin Hemma Schmutz.
Nika Kupyrova wurde 1985 in Kiew (Ukraine) geboren. Sie lebt und arbeitet in Wien und Prag.
Nika Kupyrova
Simulacra
6. Juni bis 17. August 2025