New Tools for Old Attitudes

Beat Zoderer, 1955 in Zürich geboren, gilt als ein konkreter Künstler – und ist doch in vieler Hinsicht ganz das Gegenteil davon. Zoderer dekonstruiert und belebt die konkrete, konstruktive Kunst neu, indem er ihre Strenge, ihre Rationalität und ihren Perfektionismus auf subtile Weise aushebelt. Seine Zeichnungen, Bilder, Plastiken und Installationen wurden bereits weltweit in namhaften Institutionen ausgestellt, in der Schweiz sah man sein Werk jedoch bislang nur in Ausschnitten.

Das Haus Konstruktiv widmet ihm nun seine schweizweit erste, umfassende Retrospektive und zeigt im Rahmen der über vier Stockwerke angelegten Präsentation Arbeiten von 1984 bis heute. Für den grossen Ausstellungssaal im Erdgeschoss entwickelt Zoderer eine begehbare Installation, die sowohl eine spektakuläre Innen- wie auch Aussenansicht erlaubt. Zoderers Fähigkeit, seine installativen Arbeiten präzise auf einen Raum hin zu konzipieren, ist vor allem Ausdruck seiner Vorliebe für die radikale Durchmischung von Kunst- und Alltagsraum.

Diese Durchmischung erzielt er auch in seinen Bildern. Auf den ersten Blick erscheinen sie häufig streng geometrisch, systematisch aufgebaut, doch auf den zweiten Blick erkennen wir, dass das verwendete Material so gar nicht unseren Erwartungen entspricht. Es sind vielfach Fundstücke oder Materialien aus dem Alltagsleben, die der Künstler sowohl unter ästhetischen wie auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten zusammenfügt: Aus Büro- und Lagerwaren, Aktenordnern, Klebebändern, Schaumstoffstreifen und dergleichen generiert Beat Zoderer komplexe farbige Welten, die oft wie ein kritisch-ironischer Reflex auf die von den Konkreten geforderte Materialgerechtigkeit erscheinen.

An die Stelle einer streng auf sich selbst bezogenen Kunst, die die Reinheit der Form und die Reinheit der Farbe für sich beansprucht, tritt hier eine Kunst, die sich nichts verbietet und keine Scheu kennt: Nicht vor billigen Materialien, nicht vor einem radikal freien Umgang mit höchst aufgeladenen Themen der Kunst wie Form, Farbe, Raum und Bedeutung. Zoderers Arbeiten überzeugen durch eine starke sinnliche Kraft und durch die subtile intellektuelle Aufforderung, einer konventionellen Sicht auf die Dinge zu misstrauen.


Zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag die Publikation "New Tools for Old Attitudes" (220 Seiten, vierfarbig, Text in dt./engl.). Beat Zoderer fasst in diesem Titel zusammen, was ihn am meisten interessiert: unterschiedliche Systeme und Rezeptionsansätze miteinander zu verbinden, um neue und unerwartete Interpretationen zuzulassen.

Die Publikation beginnt 1984, als Beat Zoderer sich noch mit den Symbolen und Legenden aus der Kunstgeschichte beschäftige, und zeigt dann chronologisch seine in sich folgerichtige Entwicklung bis zu seinen aktuellen Werken. Nachvollzogen wird diese Entwicklung in einem ausführlichen Gespräch zwischen Beat Zoderer und Dorothea Strauss, in dem Zoderer auf eine entwaffnend unversperrte und zugleich detailgenaue Weise einen bislang einzigartigen Einblick in sein künstlerisches Denken und Handeln erlaubt.

Beat Zoderer im Haus Konstruktiv
29. August bis 26. Oktober 2008
Eröffnung: 28. August 08, 18 Uhr