Neue Wilde – Adolf Frohner und der Neoexpressionismus

Im Forum Frohner in Krems wird die vielfältige Ausprägung des Neoexpressionismus und des "Neuen Wilden" in Österreich in den 1980er-Jahren beleuchtet.

Mit ausdrucksstarker Geste, leuchtender Farbigkeit und erzählerischer Bildsprache rückten junge Künstler:innen wie Siegfried Anzinger, Herbert Brandl oder Gunter Damisch die Malerei erneut ins Zentrum. Die Schau stellt Frohners malerische Position mit der aufstrebenden Generation der „Neuen Wilden” in Dialog.

Die 1980er-Jahre gelten heute als ein Jahrzehnt des Aufbruchs für die Wiener Kunstszene. Eine junge Generation von Künstler:innen kehrte dem Konzeptuellen und Medienbasierten der 1970er-Jahre den Rücken zu und stellte Farbe und Pinsel wieder ins Zentrum ihrer Arbeit. Diese „farbenschleudernden Jungkünstler“, wie sie 1986 im Kurier genannt wurden, verliehen der heimischen Kunstszene neuen Schwung und formulierten mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit den Anspruch auf internationale Sichtbarkeit.

Das Kunstmagazin art sprach gar von einem „Kunstwunder von Wien“ und staunte darüber, wie sich die Stadt in einen Hotspot einer internationalen Bewegung verwandelte. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte die Galerie von Peter Pakesch. Sie ermöglichte jungen Künstler:innen wie Herbert Brandl, Gerwald Rockenschaub, Josef Danner oder Otto Zitko erste Ausstellungen und vernetzte sie zugleich mit deutschen Protagonisten wie Albert Oehlen oder Martin Kippenberger. Neben Pakesch boten auch Galerien wie Ariadne oder Krinzinger wichtige Plattformen für die jungen Maler:innen. Auch die Museen stellten die junge Künstlerschaft in unterschiedlichen Zusammenstellungen aus. Für die Rezeption der sogenannten Neuen Wilden in Österreich waren die Ausstellungen „Einfach gute Malerei“ 1983 in der Galerie nächst St. Stephan und „Hacken im Eis“ 1986 im Museum des 20. Jahrhunderts maßgeblich.

Der Begriff der „Neuen Wilden” wurde aus Deutschland übernommen, obwohl österreichische Künstler:innen nicht in der richtungsweisenden Ausstellung „Les Nouveaux Fauves – Die neuen Wilden” (1980, Neue Galerie Sammlung Ludwig, Aachen) vertreten waren. Dennoch prägten Maler:innen wie Siegfried Anzinger, Herbert Brandl, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Josef Danner, Hubert Schmalix oder Otto Zitko das Jahrzehnt maßgeblich. Was sie verband, war weniger ein einheitliches Programm als vielmehr die Lust am Expressiven, die in Österreich keine unmittelbare malerische Vorgängergeneration hatte und somit zu einem gemeinsamen Nenner wurde.

Die Schau im Forum Frohner setzt mit einem Rückblick an: Mit dem Werk von Maria Lassnig (1919–2014) eröffnet sich für die Malerei ein neuer Weg. Nicht mehr die Abstraktion des Realen ist Bildthema, sondern die Empfindungswelt wird zur Hauptdarstellerin. Lassnig wird heute als Pionierin einer eigenständigen, radikal subjektiven Bildsprache gewürdigt. Wie das Bild „Rast der Schwimmerin” von 1982 zeigt, war Lassnig damit eine Vorreiterin für die männlich dominierte Bewegung der 1980er Jahre. Durch ihren langen Aufenthalt in Amerika spannt ihr Werk auch den Bogen zum amerikanischen Neoexpressionismus, der zeitgleich zur europäischen Bewegung aufkeimte und durch Künstler:innen wie Julian Schnabel, Jean-Michel Basquiat oder Susan Rothenberg vertreten wurde.

Obwohl sich die junge Künstler:innengeneration der 1980er-Jahre bewusst von traditionellen Bildthemen abgrenzte, zeigen sich in der Malerei dieser Zeit dennoch auffällige inhaltliche Konzentrationen auf Figur oder Landschaft. So sind etwa die farbgewaltigen Werke von Herbert Brandl (*1959) stark von landschaftlichen Eindrücken inspiriert. Er begann 1978 sein Studium bei Herbert Tasquil und Peter Weibel an der Hochschule für angewandte Kunst. Viele seiner Arbeiten verzichten vollständig auf gegenständliche Bezüge und loten die Möglichkeiten des Malerischen aus. Das Werk „In der Buckligen Welt“ aus dem Jahr 1983 verweist in seinem Titel auf die landschaftliche Referenz, die auch als Sprachspiel verstanden werden kann.

Neben Herbert Brandl waren in den 1980er-Jahren auch Gerwald Rockenschaub (*1952) und Josef Danner (1955–2020) in der Galerie von Peter Pakesch ausgestellt, der als wesentlicher Förderer der neuen Malerei dieser Künstler galt.

Die Malerei von Brandls Studienkollegen Otto Zitko (*1959) ist in den frühen 1980er-Jahren durch einen gestisch-dynamischen Farbauftrag in mehreren Schichten gekennzeichnet. Später entwickelte er Arbeiten mit rußgeschwärzten Glasplatten, in die er mit gestischem Schwung Liniengeflechte setzte. Mit dieser Serie erfuhr Zitko einen Durchbruch und nahm auch eine Rückkehr zur expressiven Abstraktion vorweg, die in der Folge maßgeblich werden sollte.

Alois Mosbacher (*1954) und Hubert Schmalix (*1952) orientierten sich an einer eher traditionellen Auffassung von Malerei und an der klassischen Moderne. Sie studierten an der Akademie der bildenden Künste Wien. Mosbachers Arbeiten sind stark von Naturmotiven geprägt. Nach einer expressiv-gestischen Anfangsphase mit kräftiger Farbgebung entwickelte er Mitte der 1980er-Jahre eine ruhigere, nuancenreichere Malweise. Auch Siegfried Anzinger (*1952) und Gunter Damisch (1958–2016), die in der Klasse von Maximilian Melcher studierten, finden zu dieser Zeit zu einer eigenständigen künstlerischen Handschrift. Bei beiden rückt der malerische Entstehungsprozess ins Zentrum, sodass die Spuren der Bildgenese sichtbar bleiben. Während Anzinger das Figürliche und Erzählerische beibehält, sind die Arbeiten von Damisch von einer besonderen Leuchtkraft der Farbe bestimmt, wie etwa das Gemälde „Die Erde kratzt sich” aus den Jahren 1983/84.

Ebenfalls an der Akademie der bildenden Künste Wien studierten Erwin Bohatsch (*1951) und Hubert Scheibl (*1952). In Bohatschs früher Arbeit „Zwei Frauen“ aus dem Jahr 1984 verbinden sich zeichenhafte und der Natur entnommene Motive zu einer All-over-Komposition. Scheibls Werk wurde im Kontext der Neuen Wilden rezipiert und zeigt Nähe zur amerikanischen abstrakten Malerei. Momente der Natur und des Unterbewussten sind hier die inhaltlichen Referenzen. Seine großformatige Arbeit „Reisser” aus dem Jahr 1984 scheint charakteristisch für diese Auffassung zu sein.

Mit Werken von Kurt Kocherscheidt und Adolf Frohner schließt sich der Bogen der Ausstellung. Kocherscheidt (1943–1992) fand in den 1980er-Jahren zu einer unverwechselbaren, reduzierten Bildsprache. Seine kraftvolle, gestisch bestimmte Malweise verbindet sich mit einer zurückgenommenen Farbpalette und hebt sich damit deutlich von den farbintensiven Positionen der jüngeren Generation ab. Seine fast monochromen Stillleben greifen klassische Motive der Kunstgeschichte auf und übersetzen diese in eine zeitgenössische, formal abstrahierte Bildsprache. Deutlich wird das in der gezeigten Arbeit „Ohne Titel“ von 1989.

Auch Adolf Frohner (1934–2007) trat in dieser Zeit mit einer bewussten Rückkehr zur Malerei in den Diskurs: „Wieder Malerei“ lautet der Titel eines seiner Werke aus dem Jahr 1987.
Doch folgte Frohner einer anderen künstlerischen Denklinie. Als Vertreter einer älteren Generation war für ihn die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld von Abstraktion und Realismus – einer zentralen Frage der Nachkriegsmoderne – bestimmend. Sein expressiver Malstil ist Ausdruck eines subjektiven Erlebens und der Versuch, das Gesehene transformiert auf die Leinwand zu bringen.

Wild Painting
Frohner und der Neoexpressionismus
bis 19. Oktober 2025
Kuratorin: Elisabeth Voggeneder