Raster, Regel, Wiederholung - die Verwendung geometrischer, oft monochromer Grundformen ist in der westlichen Kunst seit Mitte der 1980er Jahre verstärkt zu beobachten.
In einem Aufsatz in der Zeitschrift Kunstforum international fasste Markus Brüderlin diese Tendenzen 1986 unter dem Schlagwort "Neue Geometrie" zusammen und prägte damit den Begriff. In der Westschweiz hat diese Strömung eine bis heute wirksame Tradition. Dies zeigt das druckgrafische Schaffen von drei Künstlerinnen mit Bezug zu diesem geografischen Raum, deren Werke sich in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich befinden.
Das schillernde Label "Neogeo" ist in der Schweiz vor allem mit Namen wie John M. Armleder, Francis Baudevin, Stéphane Dafflon, Philippe Decrauzat oder Olivier Mosset verbunden. Als Mosset 1985 zur Geometrie zurückkehrte, wurde er zu einem der führenden Protagonisten der " Neuen Geometrie ". Vergleichbar mit der Aufbruchstimmung der 1960/1970er Jahre wurde das in der Westschweiz zum Kürzel mutierte "Néo-Géo" damals zum Ausdruck eines Lebensgefühls, das Trash mit Rückgriffen auf die klassische Moderne verband und sich dort schliesslich zu einer bis heute wirksamen Tradition entwickelte.
Für einmal soll "Néo-Géo" jedoch aus einer rein weiblichen, jüngeren Perspektive thematisiert werden. In einer gemeinsam mit den drei Künstlerinnen entwickelten Präsentation wird der verbindende Einfluss dieser Strömung im Werk von Claudia Comte, Athene Galiciadis und Andrea Heller aufgezeigt, die in ihren Arbeiten formale Analogien aufweisen. Nicht ohne Grund haben sie alle einen Bezug zur Romandie: Comte und Galiciadis haben gemeinsam an der École cantonale d'art de Lausanne (ECAL) studiert, Andrea Heller ist trotz anderer Ausbildungsstätten mit ihrem Wirkungsort und ihrer Ausstellungstätigkeit in dieser Region verankert. Die drei unterschiedlichen Interpretationen lassen interessante Verschiebungen in der traditionellen Adaption, Rolle und Ausprägung der geometrischen Bildsprache erkennen.
Claudia Comte (*1983) wurde im Kanton Waadt geboren, studierte in Lausanne und lebt heute in der Nähe von Basel. Ihre Arbeit umfasst ortsspezifische Installationen, Malerei und Skulptur, die alle von einem langjährigen Interesse an der Geschichte und Erinnerung biomorpher Formen geprägt sind. Im Zentrum von Comtes Installationen stehen monumentale Wandmalereien und serielle Skulpturen, die von organischer Morphologie inspiriert sind. In Form von Wellen, Kakteen oder Gesteinsschichten werden sie spielerisch zu Mustern zusammengesetzt, um Umgebungen zu schaffen, in denen die Werke in einem methodischen und visuellen Rhythmus miteinander in Beziehung stehen. Comtes dynamische und formveränderliche Objekte sind von einer sorgfältigen Beobachtung der Beziehung zwischen der Hand und verschiedenen Technologien geprägt.
Athene Galiciadis (*1978) hat ihr Studium in Zürich begonnen und in Lausanne abgeschlossen, sie lebt und arbeitet in Zürich. Ihr Oeuvre umfasst Skulpturen, Gemälde, Arbeiten auf Papier und Installationen, die stets in einen Dialog mit dem Raum treten. Galiciadis' Werke zeichnen sich durch eine charakteristische Farbpalette und ein Formenrepertoire aus, das oft geometrisch-organisch ist und an die Konkrete Kunst und ihre konstruktivistischen Vorläufer erinnert. Die Künstlerin komponiert ihre Werke aus verschiedenen Materialien und entwickelt eine eigene Formensprache, die Assoziationen zu Tradition, Handwerk und Design weckt. Muster, Modelle, Theorien, Wissenschaft und Spiritualität sind Themen, die Galiciadis als Werkzeuge in ihrem Werk einsetzt.
Andrea Heller (*1975) studierte in Hamburg und Zürich, lebte danach einige Jahre in Paris und hat heute ihren Lebens- und Arbeitsschwerpunkt in Biel. Die Künstlerin bedient sich verschiedener Medien, wobei Tusche- und Aquarellzeichnungen die Basis ihres Schaffens bilden. Typisch für Hellers Arbeitsweise ist der Bildaufbau. Bestimmte Gesten wiederholen sich, grössere Formen setzen sich aus kleineren zusammen oder folgen einem von der Künstlerin festgelegten Regelwerk. Welche Motive dabei entstehen, ergibt sich erst im Arbeitsprozess. Stets scheint den organischen Formen und geometrischen Strukturen eine narrative Metaebene eingeschrieben. So entstehen Arbeiten, denen ein organisches wie architektonisches Wachsen zugrunde liegt und die ein Spannungsfeld zwischen Gebautem und natürlich Gewachsenem ergeben.
Neogeo - Décalages féminins. Claudia Comte, Athene Galiciadis, Andrea Heller
bis 6. Juli 2025