Nach der Wahl

Letzten Sonntag fand die Wiederholung der Stichwahl zum Bundespräsidenten statt. Allen Unkenrufen zum Trotz gewann diesmal Alexander Van der Bellen mit deutlichem Vorsprung. Für mich war es eine Überraschung, die ich erfreut zur Kenntnis nahm. Wir waren eine kleine Gruppe bei einer Barbarafeier und ließen kein Radio laufen. Doch dann erhielten einige short messages, die zwar den Frieden nicht störten, aber die Politik doch hereinholten.

Der Grüne, der Professor, hatte es geschafft. Im Weinviertel, wo ich lebe, gab es wie früher eine Mehrheit für den Nationalisten, aber die Städte, die Jungwähler und die Frauen gaben schlussendlich den Ausschlag. Europa nahm dies zur Kenntnis und ging zur Krisentagesordnung über.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die FP wird bei den Nationalratswahlen stark abräumen. Die Schwäche der SP ist die Stärke der VP und beider Schwäche ebnet den Rechtspopulisten, Nationalisten und Faschisten den Weg. Nach dem Brexit und Trump ist mit einem Generalangriff der faschistoiden Kräfte zu rechnen.

Die meisten gescheiten soziologischen und politologischen Analysen über die Ängste der Verlierer erklären wenig oder falsch. Fast niemand fragt, was denn diese Verlierer unternehmen, außer Feindbilder beschwören und ihre Frustration entladen. Wo ist ihre produktive Arbeit? Welcher bestiefelte Glatzkopf hat je etwas Positives gearbeitet? Warum sonnt er sich in der angemaßten Opferrolle?

Unser Kontinent ist gezeichnet von seiner blutigen Geschichte. Nach zwei Weltkriegen, von den vielen "kleinen" gar nicht geredet, müsste das Wissen doch verankert sein, dass Abgrenzung, Chauvinismus, Feindbilder und Verfolgung nur zu Terror und Krieg führen. Keiner dieser Kriege hat den ersehnten, erwarteten Erfolg gebracht, sondern im Gegenteil nur Zerstörung und unsagbares Leid. Die Zerstörungswut der Primitiven trifft auf eine smarte Lenkung durch Populisten und Nationallisten. Eine höchst gefährliche Gemengelage.

Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
und sage nicht, warum.
Und Stille gibt es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
nachher war"s einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.

Das schrieb Karl Kraus 1933. Heute werkeln böse Kräfte an einer faschistischen Wiedererstarkung, bereiten neue Scheußlichkeiten und Gräuel vor, säen Hass. Und später, nachher, wird es niemand gewesen sein, wie immer, wie gewohnt. Sie haben’s ja nicht so gemeint. Falsch! Sie meinen es, sie wollen es. Sie verdienen Widerstand.