Chetwynd ist bekannt für eine vielseitige künstlerische Praxis: Mit Collagen, Objekten, Installationen, Filmen, Malereien und vor allem absurd-humorvoll anmutenden Performances bespielt Chetwynd weltweit Ausstellungsräume.
Motten, Fledermäuse und Würmer nehmen das Belvedere 21 in Besitz und öffnen Tür und Tor für Häretiker:innen und Hexen: Die erste museale Einzelausstellung von Monster Chetwynd in Österreich verwebt Kunst, Geschichte(n), Theorie, Handwerk und Gemeinschaft zu einer raumgreifenden Arbeit, die speziell für das Haus entwickelt wurde und an zwei Terminen von Performer:innen belebt wird.
In Monster Chetwynds genreübergreifender Praxis, die Film, Collage, Malerei und Installation umfasst, werden Elemente des Volksschauspiels, der Popkultur und des surrealistischen Kinos miteinander verwoben. Chetwynd ist bekannt für anarchische Bric-à-brac-Performances mit handgefertigten Kostümen, Requisiten und Bühnenbildern und verwendet dafür meist einfache Materialien wie Papier, Kartonage, Pappmaché, Holz und Stoff, die sich leicht einsetzen und anpassen lassen. Die künstlerische Praxis des Do-it-Yourself versteht Chetwynd alltagsökologisch bzw. alltagsökonomisch und denkt Reparaturkultur und Recycling mit. Im Zentrum steht der kollektive Entstehungsprozess. Das Ergebnis ist eine lust- und humorvolle, absurde und manchmal zügellose, gleichermaßen präzise wie improvisierte Kunst, die häufig in einer Performance kulminiert: in einem magischen Moment, erschaffen mit Unterstützung eines Teams von vertrauten Mitstreiter:innen, die kostümiert (inter-)agieren. Chetwynd beschreibt die künstlerische Arbeit als "ungeduldig gemacht", greift aber auf sorgfältig recherchierte, vielfältige kulturelle Referenzen zurück, die von Christine de Pizan bis Silvia Federici reichen.
Der Ausstellungstitel "Moths, Bats and Velvet Worms! Moths, Bats and Heretics!" klingt wie ein kraftvoller Schlachtruf und verweist zugleich auf die Objekte und Charaktere in der Schau: Nachtaktive Motten, Fledermäuse und Stummelfüßer bewohnen im Belvedere 21 eine Höhlenlandschaft aus Weidengeflecht, umgeben von Puppen und Figuren in einer Kulisse aus mittelalterlichen Gemälden und Symbolen.
Für die Ausstellung hat Monster Chetwynd ein dichtes Geflecht von Bezügen und Referenzen ausgelegt, das im Raum unterschiedliche Visualisierungen findet: Die Motive reichen von der nonkonformen, widerständigen Figur der Hexe und kleinen Teufeln über Renaissancebilder (Barthélemy d’Eyck), groß aufgezogene Filmstills und nachtaktive Tiere bis hin zu den feministischen Regisseurinnen Catherine Breillat und Joanna Hogg, die als handgenähte Puppen anwesend sind. Chetwynds Interesse gilt den Marginalisierten der Geschichte und des Tierreichs. Übersehene Narrative und Existenzen werden herausgestellt, bekommen eine humorvolle und energische Stimme und treten als handgemachte Akteur:innen in der Ausstellung auf: etwa Häretiker:innen, also Personen, denen Abweichung in Worten und/oder Taten von der offiziellen Kirchenmeinung unterstellt und unkontrollierbare magische Kräfte und Geheimwissen zugesprochen wurden.
Silvia Federicis wegweisende feministisch-marxistische Studie Caliban and the Witch (2004) stellt eine wichtige inhaltliche Referenz für Monster Chetwynd dar und wird zu einer Metaebene der Performance: Federici zeigt, dass die Angst patriarchaler Machtinhaber vor dem Körper, dem medizinischen Wissen und der (sexuellen) Selbstbestimmung der Frau mit der Hexenverfolgung zusammenhängt und am Beginn der Entwicklung des heutigen Kapitalismus steht.
Den Anspruch auf absolute Autonomie gibt Chetwynd in den Performances zugunsten einer kollektiven Werkentwicklung auf. Dabei verliert Chetwynd nie das Publikum aus den Augen, sondern adressiert es vielmehr direkt: anarchisch, bildmächtig und witzig.
Monster Chetwynd, 1973 in London geboren. Anfangs entstehen die Arbeiten noch unter dem Pseudonym Spartacus Chetwynd (2006–13). Danach produziert Chetwynd einige Jahre unter dem Namen Marvin Gaye Chetwynd (2013–17), 2018 wird der Vorname zu Monster. Die unterschiedlichen Identitäten stehen jeweils für bestimmte Arbeitsund Karrierephasen in Chetwynds Leben.
Monster Chetwynd lebt und arbeitet in Zürich und lehrt seit 2020 an der Zürcher Hochschule der Künste. Chetwynds bevorzugte Pronomen sind im Englischen ze/per; da es keine direkte deutsche Entsprechung gibt, verwendet das Belvedere im Deutschen keine Pronomen.
Monster Chetwynd
Moths, Bats and Velvet Worms!
Moths, Bats and Heretics!
7. November 2024 bis 9. Februar 2025